Mit Verwunderung und Kopfschütteln nimmt die Ärztekammer für Oberösterreich den jüngsten Vorschlag von Wissenschaftsministerin Eva-Maria Holzleitner zur Kenntnis. Die Politikerin hatte in einem APA-Interview den Wunsch geäußert, dass Absolventinnen und Absolventen eines Medizinstudiums einen „solidarischen Beitrag“ leisten sollten. Die Idee: Wer das kostenlose Studium der Humanmedizin an einer öffentlichen heimischen Universität absolviert hat, der sollte sich verpflichten, eine gewisse Zeit im öffentlichen Gesundheitssystem zu arbeiten.
Ärzteschaft darf nicht Lückenbüßer sein
„Es ist unbegreiflich, warum von Seiten der Politik und anderer Institutionen immer wieder die Ärzteschaft angegriffen wird und als Lückenbüßer für versäumte Reformen herhalten muss“, wundert sich Dr. Peter Niedermoser. „Wenn diesen Damen und Herren nichts mehr einfällt, dann wird immer wieder der Ausdruck ´Solidarbeitrag´ ins Spiel gebracht“, so der Präsident der Ärztekammer für Oberösterreich. „Ich kann es nicht mehr hören, wenn von den Kolleginnen und Kollegen fast mantraartig ein solidarischer Beitrag zum System gefordert wird. Wir haben gerade in den letzten Jahren gesehen, wie übermäßig viel und intensiv die Ärzteschaft im Spital und in der Niederlassung gearbeitet hat, um das System am Laufen zu halten. Vielleicht sollte man darüber nachdenken, sich solidarisch mit der Ärzteschaft zu zeigen und das System an sich verbessern“, sagt Dr. Niedermoser.
Verpflichtung bereits möglich
„Jedes Studium an einer heimischen Universität ist kostenlos, warum nimmt man sich gerade die Humanmedizin-Absolventen heraus?“, fragt sich der Mediziner. Nachsatz: „Wenn man auch Absolventinnen und Absolventen aller anderen Studienrichtungen dazu verpflichtet, nach dem Studium eine bestimmte Zeit für die Allgemeinheit zu arbeiten, erst dann kann man auch die Humanmedizin dazu verpflichten.“ Aktuell gibt es ohnehin bereits eine solche Regelung für ärztliche Tätigkeiten im allgemeinen Interesse. Interessierte verpflichten sich nach ihrem Studium für eine gewisse Zeit zur Arbeit in bestimmten Bereichen und bekommen dafür ein Stipendium oder Erleichterungen beim MedAT, dem Aufnahmetest zum Studium. „Es darf aber nie auf Zwang, sondern immer auf Freiwilligkeit basieren“, so Dr. Niedermoser.
Erst prüfen, dann in die Öffentlichkeit
Fast befremdlich klingt der Vorschlag vor allem auch vor dem Hintergrund, dass die Wissenschaftsministerin im APA-Gespräch einräumt, zuerst rechtlich prüfen zu lassen, ob diese Verpflichtung überhaupt konkret möglich wäre. Dabei hatte Medizinrechtler Karl Stöger von der Uni Wien in einem Gutachten für die Ärztekammer sogar herausgestrichen, dass eine solche Regelung nicht zulässig wäre. „Man sollte in Zukunft vielleicht erst alles prüfen und dann mit einer Idee an die Öffentlichkeit gehen, bevor man eine ganze Gruppe an fleißigen Absolventinnen und Absolventen eine derart unverschämte Forderung über die Medien ausrichtet“, so Dr. Niedermoser.