Nach einer mehr als vierjährigen Verfahrensdauer freuen sich Dr. Christian Helmut Patsch und Dr. Florian Dirisamer über die nun rechtskräftige, behördliche Bewilligung, die Voraussetzung für die Gründung ihrer Wahlarzt-Gruppenpraxis OG ist.
WAHLARZT-GRUPPENPRAXIS FÜR KNIESPEZIALISTEN
Dr. Christan Helmut Patsch und Dr. Florian Dirisamer, beide Fachärzte für Orthopädie und orthopädische Chirurgie mit Zusatzfach Sportorthopädie standen 2014 vor der Gründung ihrer Wahlarzt-Gruppenpraxis OG. Ziel war die gemeinsame Behandlung und Operation ihrer Patienten, wobei ihr Fachschwerpunkt das Knie sein sollte. Dass Bedarf an der Gruppenpraxis besteht, war für die Fachärzte aufgrund der Nachfrage in ihren jeweiligen Wahlarztordinationen offensichtlich. „Dass das Bewilligungsverfahren, über das wir in einer Beratung von der Ärztekammer informiert wurden, so schwierig, zeit- und kostenintensiv ist, hätten wir dennoch nicht erwartet, obwohl wir darauf vorbereitet worden waren“, bemerkt Dr. Dirisamer. „Ohne die rechtliche Unterstützung durch Frau Dr. Hummelbrunner der Ärztekammer und die für den Notfall seitens des Kammervorstandes zugesagte Rechtsschutzdeckung hätten wir die Bewilligung sicher nicht durchsetzen können“, bedankt sich Dr. Patsch.
ORDINATIONSGEMEINSCHAFT ZUR ÜBERBRÜCKUNG
Um die Zusammenarbeit nicht auf unbestimmte Zeit aufschieben zu müssen, gründeten Dr. Patsch und Dr. Dirisamer im Zuge der Antragstellung um die Gruppenpraxis-Bewilligung eine Ordinationsgemeinschaft und arbeiteten in dieser während des laufenden Bewilligungsverfahrens zusammen.
EUGH: BEDARFSPRÜFUNG FÜR GRUPPENPRAXEN
Rechtlich gesehen ist seit 2010 eine Bewilligung des Landeshauptmannes für die Zulässigkeit der Eröffnung einer Wahlarztgruppenpraxis erforderlich. Auslöser dafür war eine Entscheidung des Europä-ischen Gerichtshofes. In dem Verfahren ging es um die europarechtliche Konformität der Bedarfsprüfung für ein selbstständiges Ambulatorium. Der EuGH hat damals festgestellt, dass sowohl selbstständige Ambulatorien als auch Gruppenpraxen, die sozial-versicherungsrechtlich erstattungsfähige Leistungen anzubieten beabsichtigen, einer Bedarfsprüfung zu unterwerfen sind. Sowohl der Gründung eines selbst-ständigen Ambulatoriums als auch einer ärztlichen Gruppenpraxis hat eine Bedarfsfeststellung voranzugehen. Für dieGründung einer wahlärztlichen Gruppenpraxis stehen laut der gesetzlichen Regelung die Rechts-formen einer Offenen Gesellschaft (OG) oder einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) zur Verfügung.Im Unterschied dazu sind kassenvertragsärztliche Gruppenpraxen von der Bedarfsprüfung ausgenom-men, weil der Stellenplan den Bedarf vorwegnimmt. Seit Inkrafttreten dieser neuen Regelungen wurde keine wahlärztliche Gruppenpraxis gegründet, weil weder der Verfahrensaufwand noch die Verfahrens-dauer abschätzbar waren. Außerdem kommt hinzu, dass die Satzungen der gesetzlichen Krankenversi-cherungsträger für Gruppenpraxen eine Reduktion der Kostenerstattung für die Patienten bis zu zehn Prozent vorsehen.
ENDLOSES VERFAHREN – MÄCHTIGE GEGNER
Den Antrag auf Zulassung der zu gründenden Wahlarzt-Gruppenpraxis OG stellten die Mediziner im Juli 2014. Die Bewilligung wurde vom OÖ Landesverwaltungsgericht als 2. Instanz infolge von Beschwerden gegen den Bescheid des Landeshauptmannes im November 2018 erteilt.In den mehr als vier Jahren, die das Verfahren dauerte, waren viele Hürden zu überwinden. Die erste Hürde war die ablehnende Haltung der Krankenversicherungsträger, die im Bewilligungsverfahren zur Frage des Bedarfes Parteistellung hatten. Allen voran die OÖ Gebietskrankenkasse, deren ablehnender Haltung sich die meisten anderen Krankenversicherungsträger angeschlossen hatten. Substantiell gingen die Argumente der Sozialversicherung – wie die nun erteilte Bewilligung zeigt – ins Leere. Ganz offensichtlich ist die gesetzliche Krankenversicherung an einer Verbesserung der Versorgung dadurch, dass es durch weitere Niederlassungen mehr Angebot und Auswahlmöglichkeiten für die Versicherten gibt und mehr Angebot die Verkürzung von Wartezeiten in anderen Einrichtungen erwarten lässt, generell nicht interessiert. Offenbar folgt sie dem Credo: neue Ver-sorgungsformen ja – aber nicht für Wahlärzte! Anders lässt sich diese Haltung logisch nicht erklären. Der Versuch, die Bewilligung zu verhindern, gipfelte darin, dass die OÖ Gebietskrankenkasse in einer Stellungnahme an das Amt der OÖ Landesregierung vorbrachte, eine wesentliche Verbesserung der Versorgung der Patienten würde schon deshalb nicht bestehen, weil die Antragsteller dieses Leistungsspektrum bereits in ihrer zu Beginn des Verfahrens gegründeten Ordinationsgemeinschaft anbieten würden. Dieser Argumentation ist der Landeshauptmann in seinem ersten Bescheid 2017 tatsächlich gefolgt, wogegen die Antragsteller erfolgreich mit einer Beschwerde vorgegangen sind. Dieser Beschwerde hat sich die Ärztekammer mit einer eigenen Beschwerde zur Unterstützung der beiden Vorreiter angeschlossen. Im Dezember 2017 hob das OÖ Landesverwaltungsgericht den Bescheid des Landeshauptmannes erwartungsgemäß vollständig auf. Gründe für die Aufhebung waren, dass dem Land die von den Fachärzten und der Ärztekammer aufgezeigten Ermittlungsfehler im Verfahren bestätigt wurden und auch die rechtliche Beurteilung als unrichtig erkannt wurde. Das OÖ Landesverwaltungsgericht betonte, dass der Umstand, dass die Antragsteller die beantragten Leistungen bereits in der Ordinationsgemeinschaft anbieten, geradezu den Bedarf bestätigt und eine weitere Prüfung, ob eine wesentliche Verbesserung der Versorgung durch das angebotene Leistungsspektrum zu erwarten ist, nicht stattzufinden hat, wenn keine qualitative oder quantitative Erweiterung des Leistungsangebotes beabsichtigt ist.
Damit begann das Verfahren wieder in der ersten Instanz beim Land. Letztlich ist 2018 ein positiver Bescheid des Landeshauptmannes ergangen, jedoch auch gegen diesen Bescheid – obwohl positiv – waren Beschwerden an das OÖ Landesverwaltungsgericht notwendig, weil Mängel in der Formulierung der Bewilligung vorlagen. Den wichtigsten Beschwerdepunkten ist das OÖ Landesverwaltungsgericht auch zum zweiten Mal gefolgt, sodass die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes nicht mehr notwendig war.
WERTVOLLE ERKENNTNISSE
Das Verfahren bringt wertvolle Erkenntnisse für die Beratung von Wahlärzten und deren Berater (Steuerberater, Rechtsanwalt, Notar). „Deshalb danke ich Dr. Patsch und Dr. Dirisamer für ihre Geduld und ihr Durchhaltevermögen in diesem Verfahren, weil das Wahlarztreferat durch die Begleitung des Verfahrens die Chance hat, das gewonnene Spezialwissen um diesen Verfahrenstypus anderen interessierten Wahlärzten zu vermitteln“, so Wahlarztreferentin MR Dr. Claudia Westreicher. Die Entscheidung des OÖ Landesverwaltungsgerichtes hat klargestellt, dass eine Bewilligung zu erteilen ist, wenn Ärzte dieselben Leistungen, die sie bereits in einer Ordinationsgemeinschaft erbracht haben, künftig in einer Gruppenpraxis anbieten wollen. Vo-raussetzung ist, dass es zu keiner quantitativen oder qualitativen Erweiterung der Leistungen kommt.Wird das beabsichtigte Leistungsspektrum durch die den Antrag um eine Bewilligung stellenden Ärzte nicht bereits angeboten, ist eine umfassende Überprüfung, ob mit der Wahlarzt-Gruppenpraxis eine wesentliche Verbesserung des Versorgungsangebotes für die Patienten zu erwarten ist, durchzuführen. Das bedeutet eine voraussichtlich lange Verfahrensdauer. Zudem sind die Verfahrenskosten, sofern mehrere qualifizierte Stellungnahmen zu erstatten sind und Beschwerden an das OÖ Landesverwaltungsgericht erhoben werden müssen, beachtlich. Für die rechtliche Begleitung eines solchen Verfahrens bedarf es von der Planungsphase an eines versierten Rechtsanwaltes und Steuerberaters. Es ist zudem aus Kostengründen nicht sinnvoll, einen Gesellschaftsvertrag für die Wahlarzt-Gruppenpraxis OG oder GmbH errichten zu lassen, solange die Gruppenpraxis-Bewilligung nicht vorliegt.