Nationalratswahl bestimmt auch die Zukunft der Gesundheitspolitik

Im Frühjahr haben die Präsidenten der Bundesländer und die Bundeskurienvertreter der niedergelassenen und angestellten Ärzte ein Gesundheitsprogramm entwickelt, das die Versorgung sowie die Strukturen der nächsten Jahre absichern soll. Dieses Gesundheitsprogramm der ÖÄK sollten sich die gewählten Parteien genau durchlesen und mit uns gemeinsam umsetzen. Es wurde bewusst in der Diktion gehalten, die in den Koalitionspapieren üblich ist. Ich möchte auf einige Punkte, die mir wichtig sind, näher eingehen. Das Papier ist übrigens auf der Webseite der ÖÄK nachzulesen und wird auch kontinuierlich den Parteien und Medien vorgestellt.

PATIENTENLENKUNG
Zur Entlastung der aktuellen Strukturen – und damit des Gesundheitssystems – ist eine verpflichtende Lenkung der Patientinnen und Patienten durch das System dringend notwendig. Voraussetzungen dafür sind aber die bedarfsorientierte Aufstockung der Finanzmittel für den Ausbau der Versorgung durch niedergelassene Ärztinnen und Ärzte sowie eine klare Information der Patientinnen und Patienten über den richtigen Weg durch das System. Dazu bedarf es primär Anreizsysteme für die Einhaltung der vorgesehenen  Versorgungspyramide und des vorgegebenen Versorgungspfades, die in einem gemeinsamen Diskurs von den Verantwortlichen im Gesundheitssystem (Ärzteschaft, Pflege, Sozialversicherung, Träger, Patientenvertretung und Politik) entwickelt werden müssen. Die Versorgungspyramide muss für Patientinnen und Patienten wie folgt logisch nachvollziehbar und klar sein: niedergelassene Allgemeinmedizinerin/niedergelassener Allgemeinmediziner – niedergelassene Fachärztin/niedergelassener Facharzt – Spitalsambulanz – stationäre Spitalsbehandlung.


MODERNE UND ALTERSGERECHTE ARBEITSBEDINGUNGEN
Das öffentlich finanzierte Gesundheitssystem muss so attraktiv sein, dass Ärztinnen und Ärzte gerne darin tätig sind. Um die Ärzteschaft im öffentlichen Gesundheitssystem in Österreich zu halten, müssen die Arbeitsbedingungen verbessert und den Ärztinnen und Ärzten ermöglicht werden, sich auf ihre medizinischen Kernaufgaben zu konzentrieren. Das bedeutet etwa die Reduktion von Belastungen, die Flexibilisierung von Arbeitszeiten und -verpflichtungen sowie die weitgehende Entbürokratisierung in Spitälern und Ordinationen. Spitäler müssen mit ausreichend Ärztinnen und Ärzten besetzt und die erbrachten Leistungen attraktiv entlohnt werden. Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeits- und Ausbildungsbedingungen (z. B. durch Reduzierung verdichteter Arbeitsbedingungen) sollen implementiert werden. Kernpunkte sind die Investition in die postpromotionelle ärztliche Ausbildung und die Sicherstellung ausreichender Zeitressourcen für Ausbildnerinnen und Ausbildner und Auszubildende. Lebensphasengerechte Arbeitszeitmodelle und flexible Rahmenbedingungen bilden das Fundament attraktiver Arbeitsbedingungen.

 

ARBEITSBEDINGUNGEN IN ORDINATIONEN, GRUPPENPRAXEN UND PRIMÄRVERSORGUNGSEINHEITEN
Um mehr Ärztinnen und Ärzte für die Kassenmedizin zu gewinnen, müssen die Kassenverträge flexibilisiert und modernisiert werden. Dazu gehört eine leichtere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, etwa durch lebensphasengerechte Vertragsmodelle. Ebenso sollen Zusammenarbeitsformen zwischen niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten möglichst unbürokratisch gefördert werden. Einzelordinationen, Gruppenpraxen, Karenz-/Teilzeitmodelle, Job-Sharing, Primärversorgungsnetzwerke und Primärversorgungszentren sollen nebeneinander bestehen. Festzuhalten ist, dass der alleinige Fokus auf eine einzige Versorgungsform, etwa PVE, die Versorgungsprobleme nicht lösen wird. Leistungsgerechte Honorare sollen als Maßnahme gesetzt werden, um die Abwanderung in den privaten niedergelassenen Bereich zu verhindern. Die bedarfsorientierte Weiterentwicklung des Vertragssystems muss prioritär sein, um dem Mangel an Kassenärztinnen und Kassenärzten zu begegnen. Und die Erhaltung der Wahlarzttätigkeit für Patientinnen und Patienten durch die Sozialversicherung muss gewährleistet bleiben.

Ihr Präsident Dr. Peter Niedermoser
Linz, im September 2024