Langer Weg zum Facharzt für Allgemeinmedizin

In dieser Ausgabe lesen Sie, dass es manchmal sehr lange Zeit braucht, um im Gewirr der Verantwortlichen im Gesundheitswesen grundsätzlich gute Lösungen umzusetzen. Und daher sind wir in Österreich erst jetzt bei dem angekommen, was in Europa schon längst gang und gäbe ist: bei einer Ausbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin

Ja, der Facharzt bedeutet auch eine Verlängerung der Ausbildung – nicht im Spital, sondern in der Lehrpraxis. Die Ausbildung in der Lehrpraxis wird bei allen Evaluationen immer mit Bestnoten bewertet. Allgemeinmedizin war bis jetzt auch das einzige Fach, das den Ausbildungsschwerpunkt nicht an jenem Arbeitsplatz hat, wo die Kolleginnen und
Kollegen ihre Zukunft verbringen. Nix für ungut, aber eine Allgemeinmedizinerin/ein Allgemeinmediziner muss kein Protokoll zur Chemotherapie oder deren Dosierung wissen, sondern den Patientinnen und Patienten vor Ort mit einer guten grundlegenden Beratung und Betreuung beistehen können. Wenn man an der Medizinuniversität mit den Studierenden spricht, wollen sehr viele den Weg der Fachärztin beziehungsweise des Facharztes für Allgemeinmedizin gehen. Das hat sicher mit dem Lehrstuhl für Allgemeinmedizin an unserer Universität zu tun sowie mit den vielen gemeinsamen Anstrengungen von der Ärztekammer für Oberösterreich, dem Land OÖ und der oberösterreichischen „Gebietskrankenkasse“ – ich kann mich noch immer nicht an ÖGK gewöhnen –, das Berufsbild in die Herzen der Jungen zu bringen. Jetzt werden viele fragen: warum wirbt der Präsident, ein Pathologe und Spitalsarzt, so für diesen Beruf, wo ja auch die Pathologie an die Grenze der Kapazitäten stößt und es in den Spitälern kracht? Weil die optimale Versorgung der Bevölkerung durch engagierte niedergelassene Kolleginnen und Kollegen den Andrang auf die Ambulanzen und Spitäler deutlich reduzieren wird.

WAHLÄRZTINNEN UND WAHLÄRZTE UNVERZICHTBAR
Eine Berufsgruppe, die derzeit immer wieder frontal von der Politik angegriffen wird, sind unsere Wahlärztinnen und Wahlärzte. Hier fallen Ausdrücke wie Kreditkartenmedizin, Rosinenpicker und so weiter. Nur mal kurz die Zahlen aus Oberösterreich: 926 Wahlärztinnen und Wahlärzte sind ausschließlich in der Ordination tätig – das teilt sich auf in 514
Männer und 412 Frauen. Wenn man die gemischt tätigen Wahlärztinnen und Wahlärzte (zumeist Spitalsärztinnen und Spitalsärzte, die eine, zumeist kleine, Privatordination nebenbei haben) dazu zählt, sind es insgesamt 1.526 Wahlärztinnen und Wahlärzte – wiederum auf die Geschlechter aufgeteilt sind das 899 Männer und 627 Frauen. Liebe Politik in Österreich, liebe ÖGK: Die medizinische Versorgung würde schön ausschauen, wenn diese Kolleginnen und Kollegen nicht ihren Dienst an den Patientinnen und Patienten erfüllen würden. Liebe ÖGK: Ihr erspart euch viel Geld dadurch, weil wirklich nur ein Teil der Menschen die Honorare einreicht. Die Wahlärztinnen und Wahlärzte sind ohne Zweifel
versorgungswirksam. Anstatt die Gruppe von Kolleginnen und Kollegen immer wieder zu drangsalieren, weil sie nicht im Kassensystem arbeiten, sollten sich die Verantwortlichen in der Zentrale in Wien überlegen, warum das so ist. Es braucht innovative Angebote, um diese Kolleginnen und Kollegen für die Kassenmedizin zu begeistern – ohne Zwang. Je  besser diese Modelle an die Bedürfnisse der Kolleginnen und Kollegen angepasst sind, desto eher werden sie nach ihrer Ausbildung nicht die Wahlarzt-Karriere einschlagen, sondern in das Sozialversicherungssystem einsteigen, zu dem wir Ärztinnen und Ärzte in großem Umfang stehen. Wir, als Ärztekammer für Oberösterreich, haben schon manche Vorschläge eingebracht. Es ist nun an der Zeit, dass die allwissenden Herren in der Wiener Zentrale – ein Moloch von Anfang an – diese umsetzen. Wir sind gerne dabei. Ja, eine soziale Medizin, die mit den Versicherungsbeiträgen abgesichert ist, muss die Grundlage der Versorgung sein. Aber diese muss auch für jene, die in diesem Rahmen bereits ihrer Arbeit nachgehen und für jene, die in einen solchen einsteigen wollen, attraktiv bleiben und unbedingt noch attraktiver gestaltet werden. Um das umzusetzen, werden die vielen
Funktionäre in der Wiener Zentrale bezahlt.

Ihr Präsident Dr. Peter Niedermoser
Linz, im Juni 2024