Wir waren in der Ausbildung zum Allgemein- und Familienmediziner fast immer an letzter Stelle. Es war auch immer widersinnig, dass künftige Allgemeinmedizinerinnen und Allgemeinmediziner drei Jahre dort ausgebildet werden, wo sie nie arbeiten werden. Wo sie mit vielen Fällen konfrontiert werden, die niemals in ihren Ordinationen aufschlagen. Ich kann mich noch genau an meinen vierjährigen Turnus erinnern – habe da auch länger gebraucht, wie
auch im Studium . Da habe ich oft Dinge gelernt, wie man etwa eine Chemotherapie dosiert, das Hakerl im OP hält und vieles mehr. Alles das, was ich, falls ich Allgemeinmediziner werden hätte wollen, nie gebraucht hätte.
Die Verlängerung der Lehrpraxis ist für Allgemeinmedizinerinnen und Allgemeinmediziner ein wichtiger Punkt. Man muss dort ausgebildet werden, wo man dann sein ganzes Leben arbeitet. Auch als Facharzt der Pathologie bin ich nicht von internistischen Kolleginnen und Kollegen ausgebildet worden, sondern von Pathologinnen und Pathologen.
Nun hat uns die Politik ein straffes Zeitkorsett verpasst. Bis 1. Juni 2026 muss das Ausbildungskonzept adaptiert und viele unterschiedlich lesbare Gesetzestexte gemeinsam mit der Politik in ein homogenes Meinungsbild gebracht werden. Wir arbeiten daran.
POLITIK MUSS ENDLICH WEGE VORGEBEN
Viele Jahrzehnte haben wir – die Ärzteschaft, die Politik, die Sozialversicherungen – den Menschen gesagt: Wenn es Euch irgendwo weh tut, sind wir rund um die Uhr für Euch da. Mit allen Ressourcen, die wir haben. Leider hat dies dazu geführt, dass wir den Menschen jegliche Gesundheitskompetenz, jeden Umgang mit ihren Beschwerden – im Sinne eines Hausverstandes für den eigenen Körper – abgewöhnt haben. Jetzt sind leider viele Ressourcen erschöpft. Die Medizin wird von vielen als Bauchladen gesehen. Ein Bauchladen, von dem man sich nimmt, was man zu brauchen glaubt. Und das zu jeder Tages- und Nachtzeit. Die Politik muss nun endlich das Versprechen einlösen, den niedergelassenen Bereich auszubauen. Beim vergangenen Kammerflimmern in der Sandburg, das im Juni stattfand, konnte ich mit vielen Studierenden sprechen, die es sich gut vorstellen können, Allgemeinmedizinerinnen und Allgemeinmediziner zu werden, wenn die Rahmenbedingungen passen.#
Natürlich sind diese anders als noch vor Jahrzehnten. Hier muss vor allem die ÖGK ihrer Verantwortung nachkommen und diese Rahmenbedingungen schaffen – auch wenn das Geld kostet. Wenn der niedergelassene Bereich ausgebaut ist, wenn die asphaltierte Straße der Basisversorgung funktioniert und durch keine Schotterstraße unterbrochen ist, ist die Gesundheitspolitik gefordert, den Menschen einen Weg durch das Gesundheitssystem schmackhaft zu machen, eigentlich verpflichtend vorzugeben. Dieser Weg ist durch die Sozialversicherungsbeiträge abgedeckt. Entscheidet sich eine Patientin/ein Patient für einen anderen Weg, dann sollte sie/er auch einen Beitrag zu den entstandenen Mehrkosten leisten. Wir brauchen eine Patientensteuerung und wir brauchen klare Regeln, wie man im Gesundheitssystem agiert. Wir brauchen keinen Bauchladen und ein „So wie ich will!“. Stattdessen muss es so funktionieren, wie es Sinn macht und zu dem Ergebnis führt, das wir haben wollen: gesund zu bleiben und wieder gesund zu werden. Jede und jeder muss dazu beitragen, dass das Gesundheitssystem
nicht an die Wand gefahren wird. Man muss ehrlich sagen: In Zukunft wird es nicht mehr alle Leistungen zu jeder Tages- und Nachtzeit geben, das schaffen wir derzeit nicht mehr, und es wird länger andauern.
Ihr Präsident Dr. Peter Niedermoser
Linz, im August 2024