Corona macht müde

In den letzten Wochen haben wir von der Politik lustige Lösungsansätze gehört, wie man die Versorgungsprobleme

lösen kann. Auch davon, dass jene, die auf Kosten der Gesellschaft studiert haben, verpflichtet werden, diese Kosten durch eine berufliche Bindung abzuarbeiten.

Ich kann das ja schon fast verstehen, denn Corona hat uns alle gefordert. Viele haben sich dieser Pandemie mit aller Kraft entgegengestellt, und da kann es schon passieren, dass man am Ende des Tages etwas müde ist und den richtigen Gedankengang verliert. Ich hätte auch eine innovative Idee. Alle Kolleginnen und Kollegen, die in den Spitälern ausgebildet werden – wo anders geht das ja gar nicht zur Gänze –, sollten nach der Ausbildung einen Tag als Amtsarzt, einen Tag als Wahlarzt, einen Tag als Kassenarzt und drei Tage als Spitalsarzt arbeiten, wobei ich gesprächsbereit bin über die Reihenfolge und die Anzahl der Tage. Oft bleibt nur der Galgenhumor. Jeder von uns, der studierende Kinder hatte, weiß, dass das nicht gratis ist. Jeder weiß, dass auch ein anderes Studium Geld kostet. Jeder von uns weiß auch, dass sich kein Jungmediziner in dieser Zeit, in der in Europa Medizinermangel herrscht, zu etwas verpflichten lässt. Da geht er lieber nach dem Studium ins Ausland, wo er ebenso händeringend gesucht wird wie hier in Österreich. Da braucht es andere Lösungsansätze – nachzulesen in den Wahlaussendungen der letzten Wochen –, an denen wir gerne bereit sind, gemeinsam mit der Politik zu arbeiten – aber ohne Androhung des Zwanges.

MÖGLICKEIT: PLANUNG DES ÄRZTENACHWUCHSES
Es gibt in Österreich zwar von je her Regulative zur Planung von Gesundheitsbetrieben: angefangen von den Krankenanstalten, über Kassenordinationen bis zu den Apotheken. Was es allerdings faktisch nicht gibt, ist eine vernünftige, vorausschauende und effiziente Planung des Personalbedarfes und damit auch eine Regulierung des Ärztenachwuchses. Die Folgen kennen wir aus den letzten Jahrzehnten zur Genüge. In regelmäßigen Abständen schlittern wir von einem Ärztemangel in einen Ärzteüberschuss und wieder zurück in einen Ärztemangel, weil die Verantwortlichen nicht im Stande sind, die ärztlichen Personalressourcen langfristig zu planen. Wir haben in Österreich derzeit viele KomplexitätsforscherInnen und MathematikerInnen, die uns die Infektionszahlen und die möglichen Verläufe der Pandemie fast immer genau berechnet haben. Diese hätten da ein neues Aufgabengebiet, und ich bin mir sicher, dass diese Aufgabe für sie nicht so schwierig wäre. Die Zahlen liegen ja auf dem Tisch. Die Altersstruktur der Ärzteschaft, die ja völlig transparent ist, sowie auch die demografische Entwicklung der Bevölkerung geben einigermaßen verlässliche Auskunft darüber, in welchem Ausmaß und in welchen Gebieten wir in Zukunft mehr oder weniger Ärzte benötigen werden. Was ich mir vorstellen kann, ist eine Kooperation zwischen den Ausbildungseinrichtungen, den Spitalsrechtsträgern,
den Kassen, der Politik und den Ärztekammern, im Rahmen derer eine vernünftige und weitblickende Bedarfsplanung geschaffen wird. Nur so können wir erreichen, dass weder zu viel, noch zu
wenig Ärzte ausgebildet werden.

5 JAHRE EINSATZ
Die konstituierende Vollversammlung ist absolviert, wenn Sie dieses Editorial lesen. Die Gremien und Kurienverantwortlichen sind gewählt. Ich verspreche Ihnen für mein Team und für die MitarbeiterInnen in
der Ärztekammer, dass wir die nächsten fünf Jahre mit allem Einsatz für Sie da sein werden. Was ich aber auch besonders betonen möchte: wie wichtig mir – aber auch meinem gesamten Team in den Kurien – die Aufrechterhaltung der Einheit des Ärztestandes ist. Nur eine geeinte Ärzteschaft wird sich in der Gesundheitspolitik Gehör verschaffen können, und nur eine geeinte Ärzteschaft wird es schaffen, sich gegen Kassen und Spitäler durchzusetzen. Ich bin daher sehr stolz darauf, dass es gerade in Oberösterreich immer gelungen ist, über Fraktionsgrenzen und vor allem aber auch über Kuriengrenzen hinaus zusammenzuarbeiten und immer das gemeinsame Ganze über Partikularinteressen zu stellen. Ich werde es auch als eine meiner wesentlichen Aufgaben sehen, darauf zu achten, dass es in Oberösterreich eine kooperative Zusammenarbeit aller Interessengruppen innerhalb der Ärzteschaft gibt, um weiterhin stark und geschlossen nach außen aufzutreten.

Ihr Präsident Dr. Peter Niedermoser
Linz, im Mai 2022