Welttag der Suizidprävention: Zuhören und Reden kann Leben retten

Suizid ist ein Tabuthema, das keines sein sollte. Viele irreführende und falsche Vorurteile, die in der öffentlichen Meinung herumgeistern, erschweren die belastende Situation für Menschen mit Suizidgedanken. Wertfreies Zuhören und Reden wiederum kann helfen, Wege aus der inneren Sackgasse zu finden. Bei Online-Foren und manchen Webseiten ist hingegen Vorsicht geboten.

Beratungsgespräch zwischen Ärztin und Patient

„So gut wie jeder Mensch durchlebt in seinem Leben Phasen, die von Ängsten, Unsicherheiten, Kummer und Sorge geprägt sind. Treten dann aufgrund des Leidensdrucks Gedanken an Suizid auf, werden sie meistens verschwiegen, obwohl darüber sprechen große Erleichterung bringen kann“, weiß Dr. Peter Pertschy, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin und Fachgruppenvertreter Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin der Ärztekammer für Oberösterreich.

Die Gründe für suizidale Gedanken sind sehr unterschiedlich. Sie können von psychischen Erkrankungen wie einer Depression über die Abwehr von Hoffnungslosigkeit bis hin zu Verlusten und Veränderungen reichen, die sich zu einer großen Krise auswachsen. Den einen Auslöser gibt es grundsätzlich nicht.

Suizidprävention wirkt
Daher sind Prävention und das Wissen über Suizid so wichtig und darauf möchte der Welttag der Suizidprävention am 10. September 2020 aufmerksam machen. Je mehr Menschen für das Thema sensibilisiert sind, desto eher können Warnsignale erkannt und Berührungsängste abgebaut werden. Betroffene müssen wissen, dass sie nicht alleine sind, und es in jeder schweren Krise Auswege gibt. Eine zentrale Rolle spielt hier der Hausarzt als wichtige Vertrauensperson, an die sich Menschen in einer suizidalen Lebensphase wenden können. Zudem bieten das Team der Krisenhilfe Oberösterreich (0732 2177), die Telefonseelsorge (142) oder speziell für Kinder und Jugendliche Rat auf Draht (147) am Telefon oder online Unterstützung und das rund um die Uhr.

Darüber reden, aber wie?
Mit Vorurteilen, dass zum Beispiel das Ansprechen auf Suizidgedanken gefährlich ist, oder dass Menschen, die sich wirklich das Leben nehmen möchten, nicht aufzuhalten sind, sollte ebenso aufgeräumt werden. „Sehr wohl kann jeder einzelne von uns mit einem offenen Gespräch helfen. Unbedachte Ratschläge, moralisierende Vorhaltungen oder einfache Aufmunterungen, wie morgen ist alles wieder gut, sollten dabei unbedingt vermieden werden. Viel wichtiger ist das Zuhören. Ich kann auch versuchen, die betroffene Person zu ermutigen, sich professionelle Hilfe zu suchen“, erklärt Dr. Peter Pertschy.

Vorsicht bei Informationen aus dem Internet
Im digitalen Zeitalter greifen immer mehr Menschen bei der Bewältigung von Krisen auf Informationen aus dem Internet zurück. Auf der einen Seite können Gespräche über die eigenen Gefühle und Gedanken mit anderen Personen in online Diskussionsforen eine Erleichterung sein. Auf der anderen Seite kursieren falsche Informationen und Erklärungen im Internet, die nur auf den ersten Blick schlüssig erscheinen und eher dazu führen, dass sich Betroffene schlechter fühlen. Gefährlich wird es vor allem dann, wenn in Foren zu Suizid und selbstschädigendem Verhalten aufgerufen wird. „Besser ist es, sich Unterstützung bei Familienmitgliedern, im Bekanntenkreis und bei professionellen Helferinnen und Helfern zu suchen, um das negative Gedanken-Karussell zu stoppen“, empfiehlt Dr. Pertschy abschließend.

Mehr Suizidfälle als Verkehrstote
2018 starben in Österreich fast dreimal so viele Menschen durch einen Suizid als im Straßenverkehr, davon waren 950 Männer und 259 Frauen. Die Zahl sinkt seit den 1980er Jahren kontinuierlich, was vor allem an der verbesserten Behandlung depressiver und psychischer Erkrankungen sowie der offeneren Medienberichterstattung liegt. Dennoch ist Suizid in Österreich bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Alter von 15 bis 29 Jahren die zweithäufigste Todesursache. Weltweit gesehen, stirbt laut der Weltgesundheitsorganisation sogar alle 40 Sekunden ein Mensch durch Suizid.