Pressekonferenz vom 5. Dezember 2024: Effiziente Patientensteuerung für eine gesicherte Versorgung

Überfüllte Ordinationen und Spitalsambulanzen. Angesichts der aktuell vorherrschenden Infektionswelle wird das Gesundheitssystem auf eine harte Probe gestellt. Abhilfe kann nur eine effiziente Patientensteuerung leisten. Zuerst steht der niedergelassene Allgemeinmediziner mit Unterstützung von 1450, danach der Facharzt, die Spitalsambulanz und am Ende eben erst die Spitalsbehandlung.

Von links nach rechts: OMR Dr. Wolfgang Ziegler, Dr. Peter Niedermoser, Dr. Harald Mayer

Aktuell sind in Oberösterreich fast 50 Kassenstellen unbesetzt, alleine 39 betreffen die Allgemeinmedizin. Das ist für alle Beteiligten eine herausfordernde und nicht mehr länger zu akzeptierende Situation. „Wir brauchen hier schnell effektive Maßnahmen, eine davon ist eine effiziente und gezielte Patientensteuerung. Die Lenkung der Patientenströme ist eines der brennendsten Themen in der Gesundheitsversorgung. Daher darf die Thematik nicht mehr auf die lange Bank geschoben werden“, so Dr. Peter Niedermoser, Präsident der Ärztekammer für Oberösterreich. „Vergleichen wir den aktuellen Weg durch das Gesundheitssystem mit einer Straße. Dann ist es aktuell so, dass diese Straße nicht durchgehend asphaltiert ist und immer wieder durch Schotter-Passagen unterbrochen wird. Wir brauchen aber eine durchgehend gut asphaltierte Straße, damit wir die Patientinnen und Patienten effektiv und schnell durch das Gesundheitssystem führen können“, erklärt Dr. Niedermoser. Voraussetzung dafür ist ein dringender Ausbau des niedergelassenen Bereichs. „Es ist die Aufgabe der Österreichischen Gesundheitskasse, die hier massiv gefordert ist, eine durchgehend asphaltierte Straße bereitzustellen“, so Dr. Niedermoser. Auch in den Spitälern müssen die überfüllten Ambulanzen und damit die dort arbeitenden Ärztinnen und Ärzte endlich entlastet werden.  „Die Situation wird nicht einfacher, weil in den nächsten Jahren etwa ein Viertel der Kolleginnen und Kollegen in Pension geht. Das braucht aber dringende Maßnahmen, wie etwa die Erhöhung der Finanzmittel sowie flexible Arbeitsmodelle und die Aufstockung des Personals“, so Dr. Niedermoser.

Versorgungspyramide muss klar sein

Die Versorgungspyramide muss für die Patientinnen und Patienten klar und nachvollziehbar sein: beginnend mit dem niedergelassenen Allgemeinmediziner. Natürlich ist hier ein wichtiger Faktor die Unterstützung durch die telefonische Gesundheitsberatung 1450. Danach der niedergelassene Facharzt, die Spitalsambulanz und erst dann die stationäre Spitalsbehandlung. Dazu bedarf es einer guten Information sowie die strikte und verpflichtende Einhaltung dieses Versorgungspfades, der in einem gemeinsamen Diskurs aller Verantwortlicher im Gesundheitssystem – Ärzteschaft, Pflege, Sozialversicherung, Träger, Patientenvertretung und Politik – entwickelt werden muss. „Wenn wir einen Weg definieren wo sich jede und jeder sicher sein kann, dass sie und er gut versorgt ist, dann werden sich die Menschen auch in ihrem Sinne daran halten. Wer diesen Weg aber nicht konsequent mitgeht, der muss finanziell zum System beitragen. Jeder muss sich dann an die vorgegebenen Regeln halten. Und ich sage es in aller Deutlichkeit: Wenn wir so weitermachen oder sich Menschen nicht an den vorgegebenen Weg halten, dann kollabiert das System“, so Dr. Niedermoser.

Eigenversorgung entlastet System

Der erste Schritt ist also die Eigenversorgung. Denn oftmals stellt sich bei ärztlichen Untersuchungen heraus, dass gesundheitliche Beschwerden gar keiner ärztlichen Intervention bedürfen. Erkältungen, Übelkeit oder Hautrötungen etwa nach einem Insektenstich sind nur ein paar Beispiele, die eigenständig versorgt werden können. „Selbsthilfemaßnahmen wie Ruhe, ausreichendes Trinken, bewährte Hausmittel oder rezeptfreie Medikamente können effektiv zur Linderung beitragen“, weiß OMR Dr. Wolfgang Ziegler, Allgemeinmediziner in Kremsmünster und Kurienobmann der niedergelassenen Ärzte in der Ärztekammer für Oberösterreich. Das Portal www.wobinichrichtig.at bietet viele hilfreiche Informationen.

1450 lotst durch das System

Reicht die Eigenversorgung nicht aus, steht die Nummer 1450 kostenlos rund um die Uhr zur Verfügung. Die Nummer vermittelt Rat, Hilfe und gibt Orientierung. Bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern handelt es sich um medizinisch bestens geschultes diplomiertes Krankenpflegepersonal. Sie lotsen Anrufende durch ein von Medizinerinnen und Medizinern entwickeltes, protokolliertes Abfragesystem. Die Nummer 1450 ist damit der ideale Einstieg für Patientinnen und Patienten in das System, da sie niederschwellig erreichbar ist und rund um die Uhr kostenlos zur Verfügung steht. Hier braucht es aber eine noch breitere Bewerbung der Nummer 1450 in der Bevölkerung. Die Ärztekammer für Oberösterreich hatte zuletzt daher eine Medien-Kampagne gestartet, zu der auch diese Pressekonferenz gehört. „Es braucht aber unbedingt einen breiten Ausbau der Kommunikation von 1450 durch Übersetzungsprogramme sowie den österreichweiten Einsatz von mehrsprachigem Personal. Das würde einer noch größeren Gruppe den Einsatz von 1450 ermöglichen. Um ein langfristiges Gelingen von 1450 zu gewährleisten, ist eine verbindliche Kooperation aller Systempartner eine Grundvoraussetzung, dazu gehört natürlich auch als großer Player im Gesundheitswesen die Ärzteschaft“, so OMR Dr. Ziegler. Dazu braucht es Anreize zur Nutzung dieser Gesundheitshotline, etwa die Möglichkeit der Telekonsultation einer Ärztin oder eines Arztes, hier sind aber die Honorar- und Haftungsfragen zu klären. Außerdem müssen österreichweit einheitliche Standards definiert werden und für den Datenaustausch könnte ELGA genutzt werden.

Erste ärztliche Hilfe in der Niederlassung

Reichen Eigenversorgung und 1450 nicht aus, dann steht am Wochenende und außerhalb der Ordinationszeiten der Hausärztliche Notdienst (HÄND) und untertags der niedergelassene Bereich sowie die Primärversorgung bereit. Das braucht aber den dringenden Ausbau des niedergelassenen Bereichs, also die Erweiterung der Zahl an Kassenstellen und eine Entbürokratisierung. „Angesichts der Pensionierungswelle müssen Maßnahmen ergriffen und etwa Kassenverträge gerade für junge Kolleginnen und Kollegen attraktiver gestaltet werden“, so OMR Dr. Ziegler. Hier braucht es interessante Modelle, die den Lebensumständen der jungen Kolleginnen und Kollegen gut entgegenkommen. Ein wichtiger Schritt wäre auch eine Entbürokratisierung. „Der erste Weg bei notwendiger ärztlicher Hilfe muss also immer in die Hausarztpraxis führen. Nur dort können Probleme sofort fachgerecht behandelt oder an die nächste geeignete Stelle wie Fachordinationen oder Ambulanzen weiterverwiesen werden“, skizziert OMR Dr. Ziegler den Einstieg in den Versorgungspfad.

Nur im Notfall ins Spital

Trotzdem kommen immer mehr Patientinnen und Patienten mit vergleichbar milden Symptomen sogar in die Spitalsambulanzen. Das schränkt die ärztlichen Ressourcen leider massiv ein. Werden Ressourcen aber nicht richtig eingesetzt, dann kann die bestmögliche Versorgung der Patientinnen und Patienten nicht gewährleistet werden. Im Sinne der Kampagne „Wo bin ich richtig?“ bräuchte es in den meisten Fällen jedoch gar keine Spitalsbehandlung. „Selbstverständlich wird niemand, der Hilfe braucht, abgewiesen. Der Sinn einer medizinischen Notaufnahme liegt aber in der raschen Betreuung von Patientinnen und Patienten mit akuten und dringlich zu versorgenden medizinischen Problemen“, erklärt Dr. Harald Mayer, Kurienobmann der angestellten Ärzte in der Ärztekammer für Oberösterreich und Bundeskurienobmann der angestellten Ärzte in der Österreichischen Ärztekammer. „Solch eine Situation ist für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr belastend und frustrierend. Aber auch für die betroffenen Patientinnen und Patienten kann es angesichts der damit zwangsläufig verbundenen längeren Wartezeiten sehr unangenehm sein“, so Dr. Mayer. Denn durch Unplanbarkeit des Patienten-Aufkommens und der medizinisch angezeigten Versorgungsreihenfolge nach Priorität und Schwere der Erkrankungen, kann es zu langen Wartezeiten kommen.

Konsequenz bei Nicht-Einhaltung

Daneben braucht es aber auch Konsequenzen bei der Nicht-Einhaltung der vorgegebenen Versorgungspyramide und des vorgegebenen Versorgungspfades, der in einem gemeinsamen Diskurs von den Verantwortlichen im Gesundheitssystem (Ärzteschaft, Pflege, ÖGK, Träger und Politik) entwickelt werden muss. „Hält sich der Patient an diesen richtigen Weg, dann muss er vorgereiht werden und die Kosten dafür müssen von der Sozialversicherung getragen werden. Geht er allerdings gleich in die Spitalsambulanz, dann erzeugt er nicht nur zusätzliche Kosten, sondern muss am Ende auch mit Wartezeiten rechnen und auch zur Abdeckung der verursachten Kosten beitragen“, so Dr. Niedermoser, der auch sagt: „Es ist nur ehrlich, den Patientinnen und Patienten auch zu sagen, dass künftig nicht mehr alles sofort und zu jeder Tages- und Nachtzeit möglich ist. Denn die Medizin ist kein Bauchladen, aus der sich jede und jeder immer bedienen kann.“

Neue Form der Finanzierung

Immer zentraler wird auch die Frage der Finanzierung des österreichischen Gesundheitswesens. Die Ärztekammer für Oberösterreich hat bereits vor Jahren ein Konzept entwickelt und die Neugestaltung des Finanzierungssystems auch der Politik vorgestellt. Dieses Modell sieht im Wesentlichen vor, dass nur mehr der stationäre Bereich über den Gesundheitsfonds (Länder) bezahlt werden soll, während die gesamte ambulante Versorgung (wie etwa in Deutschland) gemeinsam über das Gesamtvertragssystem gesteuert und bezahlt wird. Die derzeitige Struktur sieht eine Finanzierung der Spitäler aus Steuermitteln, einem pauschalierten SV-Beitrag, Leistungen aus privaten Versicherungen, Selbstbehalten und dem Eigenanteil der Rechtsträger vor. Der niedergelassene Bereich finanziert sich derzeit hingegen ausschließlich durch SV-Beiträge und Selbstbehalte.

Da die Kosten für die Kasse in den Spitalsambulanzen pauschaliert sind, haben die Kassen grundsätzlich weniger Ambitionen, den niedergelassenen Bereich auszubauen, weil die Kosten, die sonst im niedergelassenen Bereich entstehen würden, ohnehin vom Spital abgedeckt werden. Eine denkbare Lösung wäre eine Finanzierung des gesamten Gesundheitssystems aus einer Hand. Diese ist aber politisch unrealistisch und setzt die Entscheidung voraus, wer diese eine Hand sein soll. Der Staat oder die Kasse? Beides würde zu einer Unterfinanzierung führen, wie das Beispiel vieler Länder mit verstaatlichtem Gesundheitssystem (zum Beispiel England, Schweden, Italien) zeigt. Die Ärztekammer für Oberösterreich schlägt daher ein neues Finanzierungskonzept vor. Dieses beruht zwar weiter auf zwei Säulen, die Grenze dieser dualen Finanzierung würde aber anderes gezogen werden. So sollten künftig die Kassenärzte sowie die Leistungen in den Spitalsambulanzen, die vom niedergelassenen Bereich betreut werden können, aus einem Topf, der stationäre Bereich aus einem zweiten Topf finanziert werden. Das heißt, das Spital finanziert nur noch jene Leistungen, die auch im Spital anzusiedeln sind. Das Geld für die Kassenärzte würde dabei über das Gesamtvertragssystem der Kassen und der Ärztekammern gesteuert, jenes des stationären Bereiches so wie bisher über den Landesgesundheitsfonds“, sagt der Präsident der Ärztekammer für OÖ.Die positiven Auswirkungen liegen auf der Hand: Die SV-Träger hätten aufgrund des Drucks von Seiten der Versicherten einen hohen Anreiz, die wohnortnahe, extramurale Betreuung zu stärken.

 

Entnehmen Sie bitte hier die gesamte PK-Unterlage.

Fotocredit (c) OÖÄK