Die Corona-Pandemie ist ein Marathon für die Psyche von Kindern und Jugendlichen

Lockdown, Schulschließungen, Distance Learning – die COVID-19-Maßnahmen hinterlassen immer deutlichere Spuren in der Psyche von vielen Kindern und Jugendlichen. Sie wissen oft nicht, wie sie mit der Situation umgehen sollen. Krisensichere Eltern geben ihnen Stabilität und auch außerfamiliäre Unterstützungsangebote können helfen, die Herausforderungen zu bewältigen.

ein kleines Mädchen steht mit dem Rücken zum Betrachter und sieht traurig aus dem Fenster

„Corona ist für viele Menschen ein großer Stressfaktor, so auch für Kinder und Jugendliche. Dauert Stress an, ohne dass er bewältigt werden kann, sind oft gesundheitliche Beschwerden die Folge. Aktuelle Studien zeigen, dass in den letzten Monaten zum Beispiel Depressionen, Aggressionen und Symptome wie Kopfweh, Übelkeit oder Schlafstörungen zunehmen“, erklärt Dr. Bettina Matschnig, Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Fachgruppenvertreterin für Kinder- und Jugendpsychiatrie der Ärztekammer für Oberösterreich. Natürlich dürfen die Studienergebnisse nicht pauschaliert werden. Wie sehr die Pandemie-Situation von Kindern und Jugendlichen als Belastung empfunden wird, hängt auch stark von den familiären Gegebenheiten und der emotionalen Stabilität der Eltern ab.

Lockdowns haben Folgen
Nichtsdestotrotz bringt Corona für viele Kinder und Jugendliche einschneidende Veränderungen mit sich: Sie müssen seit dem ersten Lockdown wiederkehrende Phasen mit häuslicher Isolation bei teilweise beengten Wohnverhältnissen, Phasen mit auf sich gestelltem Lernen oder dauergestressten Eltern bewältigen. Zudem besteht wenig Möglichkeit, in direktem Kontakt Freunde zu treffen und sich mit Gleichaltrigen auszutauschen. Für eine gesunde sozial-emotionale Entwicklung braucht jede und jeder aber eine Peer-Group. Videochats oder Telefonate mit Familie oder Freundeskreis können den Verlust von sozialer Nähe nur zum Teil kompensieren. Gleichzeitig ist es auch wichtig, die Screen-Zeiten nicht ausufern zu lassen. Es sollte unbedingt Zeitfenster geben, in denen weder Handy, PC, Fernseher etc. genutzt werden.

„Ein steigender Medienkonsum und die Flut an unreflektierten Informationen können Ängste schüren. Diese sollten altersgerecht angesprochen und ernst genommen werden. Kinder und Jugendliche aktiv zu fragen, was sie brauchen bzw. was sie selbst machen können, damit es ihnen wieder besser geht, kann helfen. Wichtig ist es, falsche Informationen richtigzustellen und offene Fragen zu klären. Bei Jugendlichen bietet es sich an, gemeinsam nach Antworten in vertrauenswürdigen Quellen zu recherchieren, wenn man bei einem Thema selbst überfragt ist“, rät Dr. Bettina Matschnig.

Durch die Lockdown-Phasen sind Kinder und Jugendliche meistens körperlich weniger aktiv. Dadurch fällt es zusätzlich schwer, Abstand von der belastenden Situation zu gewinnen. „Doch selbst in den eigenen vier Wänden ist ein Auspowern möglich. Videos im Internet liefern Anregungen und Trainingsprogramme. Bereits einfaches Tanzen zur Musik oder Springschnurspringen – sofern unter Ihnen niemand wohnt – wirken sich positiv auf die Psyche aus“, so die Expertin. Zudem sollte es trotz Winterwetter regelmäßig heißen: raus an die frische Luft. Sowohl die Psyche als auch das Immunsystem profitieren von einem Spaziergang. Dabei aber auf die Hygiene- und Abstandsregeln achten.

In Kontakt bleiben, ist wichtig
„Auch wenn wir uns als Erwachsene Sorgen machen, ist es wichtig, den Kontakt zum Kind aufrechtzuerhalten. Ruhe bewahren und empathisch bleiben, entschärft so manche Situation“, sagt Dr. Bettina Matschnig. Reden über die Dinge, selbst wenn sie schwierig sind, hilft. Denn bereits Kleinkinder haben Antennen für Gefühle, die in der Luft hängen. Besonders in Phasen großer Unsicherheiten, sorgen Routinen wie ein geregelter Tagesablauf mit festen Essens- und Schlafzeiten, Zeiten für Hausübungen und Freizeitaktivitäten (z. B. spielen, basteln, ein Buch lesen, Videotelefonat mit Freunden / Großeltern etc.) für die nötige Stabilität in der Familie.

Unterstützung in Anspruch nehmen
„Lässt sich das negative Gedankenkarussell nicht stoppen und nehmen Konflikte oder das Gefühl, mit der Situation überfordert zu sein, überhand, sollten sich Eltern nicht scheuen, Rat von professioneller Seite zu holen“, so Dr. Matschnig abschließend. Fachärztinnen und Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie sind auch während der Corona-Pandemie erreichbar. Die Hotline Rat auf Draht (147), die Telefonseelsorge (142) oder die Krisenhilfe Oberösterreich (0732 2177) bieten ebenfalls Unterstützung.