Alle Jahre wieder: Es wird Herbst und die Viren sind im Anmarsch - Mediziner sind vorbereitet und sehen keinen Grund zur Panik

Die Corona-Pandemie begleitet uns nun schon rund sieben Monate. Angesichts der steigenden Infektionszahlen und der kommenden Herausforderung im Herbst und Winter braucht es einen faktenbasierten, sachlichen und vor allem konstruktiven Diskurs über die weiteren Maßnahmen sowie eine Pluralität der Meinungen. Die medizinischen Expertinnen und Experten sehen keinen Grund zur Coronavirus-Panik, im Gegenteil: die Ärztinnen und Ärzte im Land sind gut vorbereitet.

OMR Dr. Ziegler, Dr. Niedermoser, Prim. Univ.-Prof. Dr. Apfalter, Univ. Prof. Dr. Allerberger, Prim. Priv.-Doz. Dr. Gattringer, Dr. med. univ. Sprenger, MPH und Univ.-Prof. Dr. Weiss.

 „Zuallererst möchte ich betonen: Wir wollen darauf aufmerksam machen, dass es in der Corona-Pandemie und der Auseinandersetzung mit den Maßnahmen eine Vielzahl an Meinungen braucht. Dies ist nicht als Kritik am zurückliegenden Krisenmanagement der Bundesregierung zu deuten, sondern es soll viel mehr darum gehen für die Wintermonate, einen sachlichen und konstruktiven Diskurs und eine Meinungsvielfalt zu ermöglichen, “ schickt Dr. Peter Niedermoser, Präsident der Ärztekammer für Oberösterreich, voraus. „Denn nur durch gemeinsame Lösungen, die auch von der Bevölkerung verstanden werden, kann das Leben mit dem COVID-19 Virus ohne Schaden vorüber gehen. Aber dafür braucht es eine breitere Diskussion und mehr Meinungen müssen auch in der Öffentlichkeit gehört werden. Denn wir wissen jetzt wesentlich mehr als noch am Beginn der Corona-Pandemie, der Diskurs über COVID-19 muss dementsprechend breiter werden. In Deutschland etwa ist die Diskussion bereits wesentlich vielfältiger – genau dort müssen wir auch hin und dafür ist ein rein sachlich-fachlicher Meinungsaustausch wichtig“, so Dr. Niedermoser. Vor allem im Hinblick auf die bevorstehende Grippe-Saison darf man jetzt nicht in Panik verfallen, warnt der Ärztekammer-Präsident: „Die Ärztinnen und Ärzte in unserem Land sind gut gewappnet. Eine Coronavirus-Panik ist somit nicht notwendig, wenn man die Schutzmaßnahmen befolgt.“

Einordnung von SARS-CoV-2 in die Liste der zu erwartenden respiratorischen Erreger: wie gefährlich ist der Erreger?

„Als Erreger respiratorischer Infekte kommen – zu  den ganzjährig vorkommenden Adenoviren und Rhinoviren – in der kalten Jahreszeit neben dem Coronavirus auch das Respiratory Syncytial-Virus (RSV), die Influenzaviren, das Metapneumovirus und viele andere Viren als Erreger respiratorischer Infekte hinzu“, hält Univ. Prof. Dr. Franz Allerberger
Facharzt für Klinische Mikrobiologie und Hygiene und  Leiter des Geschäftsfeldes Öffentliche Gesundheit der AGES,
fest. „Mit RSV infizierte Patienten sollten für mindestens sieben Tage nach Beginn der Erkrankung von anderen Personen räumlich getrennt werden. Außerdem sollte eine strikte Händedesinfektion eingehalten werden. In großen Menschenansammlungen ist die Gefahr einer RSV-Infektion erhöht“, zitiert Univ. Prof. Dr. Allerberger die Homepage des Deutschen Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt (https://www.lungeninformationsdienst.de/krankheiten/virale-infekte/rs-virus/praevention/index.html) über die Maßnahmen bei einer RSV-Infektion – und nicht einer COVID-19 Infektion.

Influenza VS. RSV-Infektionen

Für saisonale Influenza schätzt man eine Sterberate von 1 bis 2 Verstorbenen auf 1.000 Infizierte, das sind 0,1 bis 0,2 Prozent. Die Sterblichkeit von RSV-Infektionen soll um ein Drittel niedriger sein. Dennoch wird seit Jahren intensiv an einem RSV-Impfstoff gearbeitet. Respiratorischen Winterinfekten kommt somit ohne Zweifel große praktische Relevanz zu.

Sterblichkeit von COVID-19 im Vergleich

Zweifel gab und gibt es zur Letalität von COVID-19. Die ersten Schätzungen im Jänner 2020 beruhten noch auf einer simplen Division der Anzahl der Todesfälle durch die damals nachgewiesenen Erkrankungen und eine Sterblichkeit von bis zu über 10 Prozent wurde diskutiert. Eine im Juli publizierte Metaanalyse von 24 Studien zur sogenannten Infection Fatality Rate beziffert diese mit 0,68% [1]. Berücksichtigt man die vielen leichteren und asymptomatischen Verläufe, dann lag die Sterblichkeit in den vergangenen Wochen in Österreich jedoch zwischen 0,1 und 0,6% ; in Deutschland betrug sie zwischen 0,1% und 0,4% [2]. Die Ischgl-Studie der Medizinischen Universität Innsbruck ermittelte eine Sterblichkeit von 0,25%. Diese Größenordnung korreliert sehr gut mit den Ergebnissen der bekannten amerikanischen Studie von Ioannidis, welche die Infection Fatality Rate mit 0,27% angab [3]. In der neuen deutschen Neustadt-am-Rennsteig-Studie von Streeck [4], wurde eine Sterblichkeit von 0,36% ermittelt. „Somit ist die Sterblichkeit von COVID-19 zwar höher (circa doppelt so hoch) als die der saisonalen Influenza-Infektionen, aber weit entfernt von der Gefährlichkeit, wie wir sie für die spanische Grippe, SARS oder MERS kennen“, erläutert Univ. Prof. Dr. Allerberger.

Ein Test allein macht keine Diagnose – was ist medizinisch indizierte Erregerdiagnostik im Herbst 2020?

Die Diagnose einer Infektionskrankheit ist eine ärztliche Kernaufgabe“, betont Prim. Univ. Prof. Dr. Petra Apfalter,  Fachärztin für Klinische Mikrobiologie und Hygiene und Leiterin des Instituts für Hygiene, Mikrobiologie und Tropenmedizin am Ordensklinikum Linz.
Tests helfen Ärzten Gesunde von Kranken zu unterscheiden, wobei eine Diagnose immer aus der Zusammenschau von Testergebnis interpretiert in einem klinischen Kontext gestellt wird. So wichtig wie die Technik bei der Suche nach den ursächlichen Erregern ist in der Medizin aber auch die Einschätzung des Patienten, auf den ein Erreger trifft: nicht jeder nachgewiesene Erreger macht alle Menschen krank oder gleich krank,“ führt die Medizinerin weiter aus.

In der Medizin gelten sehr hohe Qualitätsstandards für die Labordiagnostik, sowohl was die Tests selber betrifft, die IVD-Richtlinie der EU muss gewährleistet sein [5], [6], als auch das medizinische Labor als Organisationsstruktur. Die Präanalytik entscheidet, wie wertig ein Testergebnis ist: welche Probe wird bei wem, wie abgenommen. Poolen von Patientenproben ist immer höchst problematisch. In der infektionsmedizinischen Versorgung von Patienten können Experimente zu gefährlichen Fehleinschätzungen führen durch falsch negative und falsch positive Ergebnisse [7] ,[8].

Mit dem Auftreten saisonaler respiratorischer Viren in der Herbst-/Wintersaison ist es vor allem im Krankenhausbereich wichtig, rasch Patienten mit Influenza, RSV und auch SARS-CoV-2 zu identifizieren, um diese bestmöglich zu versorgen und eine Ausbreitung zu unterbinden. Das Spital ist selbstredend ein Ort, an dem Risikogruppen für Infektionen zusammenkommen“, erklärt Prim. Univ. Prof. Dr. Apfalter.

Hochqualitative schnelle PCR-Tests notwendig

Im niedergelassenen Bereich wird in Oberösterreich das PCR Testen auf SARS-CoV-2 nur sehr eingeschränkt empfohlen, bei Influenza existiert zum Beispiel ein seit Jahren etabliertes Surveillancemonitoring mittels Sentinelpraxen [9]. Nach jährlichem Ausrufen der Grippewelle durch die MUW/AGES basiert die Diagnostik dann primär nicht auf Tests, sondern aufgrund der klinischen Einschätzung. Im Rahmen dieser Überwachung werden seit dem 24.2.2020 die Sentinel-Proben der Influenza und RSV-Überwachungsnetzwerke zusätzlich auch auf SARS-CoV2 getestet: mit Stand 30.8.2020 wurde dieses Virus in 4695 Surveillance-Proben in 81 Fällen nachgewiesen (1,7%). „Rasch verfügbare, hochqualitative PCR Ergebnisse, die alle genannten Viren (und mehr) simultan nachweisen, in medizinischen Laboratorien verfügbar zu haben, ist das Gebot der Stunde. Diesbezügliche Konzepte sind im Einsatz und Reagentien sind vorhanden. Die Serologie (Nachweis von Antikörpern) hat in der Diagnostik von respiratorischen Infektionen eine völlig untergeordnete Rolle, “ schildert Prim. Univ. Prof. Dr. Apfalter. Wichtig über PCR zu wissen: Das Testergebnis ist eine Momentaufnahme. Es bedeutet per se nicht, dass ein Patient infektiös ist, also andere anstecken kann. Es bedeutet per se auch nicht, dass jemand krank ist. Wie bei der Influenza ist bei SARS-CoV-2 mittlerweile bekannt, dass die Ansteckung 2 Tage vor Symptombeginn bis zu max. 10 Tage im Regelfall erfolgt. Die höchste Viruslast findet sich mit Symptombeginn und nimmt dann sehr rasch ab. Ab Tag 5 kommt es kaum mehr zu Ansteckungen [10]. Ein positives PCR Ergebnis in dieser Zeit liefert eine klare Diagnose, wobei über 90% der Patienten keine oder nur leichte Symptome entwickeln.

Falsch negativ
Cave: Im Frühstadium kann die PCR falsch negativ sein (die IKZ bei SARS-CoV 2 beträgt im Mittel 5 Tage (2-7). Bei schwer an COVID-19 Erkrankten kann sie im oberen Respirationstrakt ebenfalls falsch negativ sein7. Bei Genesenen bleibt die PCR andererseits oft wochenlang „falsch“ positiv. Die PCR ist demnach kein „Test of Cure“. Es wird daher auch nicht empfohlen nach durchgemachter Krankheit binnen 3 Monaten, auch bei neuerlichen Symptomen, eine PCR durchzuführen. Positive PCR Ergebnisse nach Genesung sind in diesem Fall nicht Ausdruck einer Reinfektion, sondern „viral debris“, nachgewiesen am Detektionslimit der PCR Technik. CT-Werte sollen nicht am Befund mitgeteilt werden (aus einer Reihe von Gründen) und Quarantänen können ohne negative PCR aufgehoben werden 7,10,[11],[12]. Asymptomatische „Superspreader“, die wochenlang unerkannt bleiben, sind in der Literatur nicht beschrieben und Kinder spielen im gesamten Infektionsgeschehen, weder als Erkrankte noch als Überträger bei SARS-CoV-2 im Gegensatz zur Influenza, keine Rolle [13], [14],[15]. Daher wird empfohlen Kinder unter 10 Jahren nicht auf SARS-CoV-2 zu testen.

Lessons learned – Therapie schwerer SARS-CoV-2 Verläufe auch ohne spezifisches Medikament im Krankenhaus

Für Univ. Prof. Dr. Günter Weiss, Facharzt für Innere Medizin und Geschäftsführender Direktor des Departments für Innere Medizin, Medizinische Universität Innsbruck, ist bei Coronavirus-Patienten im Spital ein rasches Erkennen einer Verschlechterung der respiratorischen Situation (vor allem bei ambulant gemanagten) Patienten und Zuweisung ins Krankenhaus, notwendig. „Zudem ist eine Kombination von pharmakologischen und nicht-pharmakologischen Maßnahmen zur Verbesserung der Atemsituation durch nicht invasive Verfahren, wie high flow oxygen, Inhalation und physikalische Therapie, Beherrschung von Begleiterkrankungen (wie Kreislaufinstabilität, Herzinsuffizienz, Rhythmusstörungen, Diabetes, akuter Niereninsuffizienz etc.),angeraten, eine antibiotische Therapie bei Verdacht auf bakterielle Superinfektionen. Tritt keine Stabilisierung ein, braucht es einen risikostratifizierten (also risikoabschätzenden) Transfer auf Intensive Care Units und intensivmedizinische Therapie inkl. invasiver Beatmung, Lagerung, ECMO (extrakorporale Membranoxygenierung) “, so der Experte.

Therapie

Spezifische Therapien und persönliche Erfahrungen sind ausschlaggebend für die Therapie, adaptiert nach Krankheitsstadium:

    1. Frühphase - Anti-virale Therapiestrategie  (ggf. Remdesivir, Faripiravir etc.)
    2. Spätphase - Anti-entzündliche Therapiestrategie (Kortikosteroide, Immunmodulation)
    3. Stellenwert von Plasmatherapie (Konvaleszentenplasma) und einige Therapien in klinischer Prüfung

Auch nach der Entlassung muss der Verlauf und die Folgen bei schwer erkrankten Patienten weiterverfolgt werden“, ergänzt Univ. Prof. Dr. Weiss.

Es gibt viele Gründe Ihren Hausarzt zu konsultieren. Bitte scheuen Sie nicht den Gang zum Arzt ausSorge vor SARS-CoV-2, wir sind gut vorbereitet!

Es sind die Hausärztinnen und Hausärzte, die mit ihrer Expertise, ihrer Erfahrung und ihrer Intuition versuchen müssen, mögliche Corona-Verdachtsfälle von banalen Infekten zu unterscheiden. „Es muss restriktiv und ressourcenschonend vorgegangen werden, was Verdachtsfälle angeht: Bei Symptomen, die auf andere Viren als das Coronavirus hindeuten, ist es nur sinnvoll und richtig, nicht zu testen. Bereits jetzt, weit vor Beginn der Grippesaison, sind in Österreich von 1.000 durchgeführten Tests etwa 977 negativ! Ist der Hausarzt oder Kinderarzt nach Zusammenschau aller Fakten und in Kenntnis seines Patienten aus der Betreuung, der Meinung, dass ein Test notwendig ist, wird dieser auch veranlasst,“ stellt OMR Dr. Wolfgang Ziegler, Arzt für Allgemeinmedizin und Kurienobmann-Stellvertreter der niedergelassenen Ärzte der Ärztekammer für Oberösterreich, klar. Zudem ist es auch nicht sinnvoll, jeden einzelnen Coronafall zu detektieren: „Ca. 95 Prozent der Infektionen verlaufen asymptomatisch – also ohne Symptome – oder maximal mit Schnupfen, Husten und nur gelegentlich mit Fieber“, erklärt Dr. Ziegler.

Außerdem hält Dr. Ziegler fest. „Es ist wichtig, dass sich die Patientinnen und Patienten wieder in die Ordinationen trauen, damit chronische Erkrankungen konsequent behandelt werden können und neu aufgetretene nicht übersehen werden. Mit dem Sicherheitsmanagement in Ordinationen ist eine Ansteckungsgefahr auch weitgehend minimiert.“  Entgegen verschiedenen Aussagen, standen die Hausärztinnen und Hausärzte überwiegend und trotz mangelnder Schutzausrüstung immer für ihre Patientinnen und Patienten zur Verfügung und werden dies selbstverständlich auch weiterhin tun, weil sie für ihre Patientinnen und Patienten da sind und sich ihrer Verantwortung bewusst sind.

Die Profis in der Krankenhaushygiene sind im Umgang mit Infektionen für den Herbst besser denn je gerüstet

Die Krankenhaushygiene beschäftigt sich immer schon mit dem Schutz der Patienten und der Mitarbeiter vor Übertragungen von Infektionskrankheiten und resistenten Erregern. Vor allem auf Patienten, die durch Vorerkrankungen und / oder Einschränkungen des Immunsystems besonders verletzlich sind, wird besonders geachtet, damit diese nicht durch einen Krankenhausaufenthalt Schaden erleiden.

Maßnahmen wie Händehygiene, Mund-Nasen-Schutz, Reinigung, Flächendesinfektion, Quellen-/Schutzisolierung und andere Barriere-Maßnahmen wurden seit jeher, je nach Situation, Gefährlichkeit, Übertragungsweg des Erregers und nach sorgfältiger Nutzen/Risiko Abschätzung kombiniert,“ erklärt Prim. Priv. Doz. Dr. Rainer Gattringer, Facharzt für Innere Medizin und Facharzt für Klinische Mikrobiologie und Hygiene mit Additivfach Infektiologie und Tropenmedizin & Leiter des Instituts für Hygiene und Mikrobiologie am Klinikum Wels-Grieskirchen. Nicht eine einzelne Maßnahme, sondern immer ein Bündel an Maßnahmen ist der „Schlüssel zum Erfolg“.

PROHYG 2.0 als Standard für Krankenhaushygiene

In Österreich ist im Ärztegesetz (³8a KAKUG) festgeschrieben, dass jede Krankenanstalt über einen Hygienebeauftragten Arzt verfügen muss und explizit für diese Aufgaben ausgebildetes Fachpersonal, sogenannte Hygieneteams, sorgen für die Umsetzung der oben genannten Maßnahmen. Über Struktur und Organisation der Krankenhaushygiene und Infektionskontrolle informiert PROHYG 2.0. (Expertenstatement zur Organisation und Strategie der Krankenhaushygiene). Auch im niedergelassenen Bereich gelten strenge Hygienevorschriften.

Um einen optimalen Schutz für Patienten und Mitarbeiter zu erreichen wird das Personal regelmäßig von der Krankenhaushygiene in der richtigen Durchführung und Anwendung der Maßnahmen geschult. Auch die Patienten werden über notwendige Maßnahmen informiert und aufgeklärt. „Auf diese Wiese werden Übertragungen im Krankenhaus minimiert, sodass notwendige Behandlungen sicher durchgeführt werden können“, betont Prim. Priv.Doz. Dr. Gattringer.

Es braucht „Bündel an Maßnahmen“

Einfache Maßnahmen schützen auch außerhalb des Krankenhauses vor Ansteckung, vor allem vor viralen Erkrankungen der oberen und unteren Atemwege. „Die oft postulierte Händehygiene ist der Grundstein einer konsequenten und sinnvollen Hygiene und wird mit der richtigen Nies-/Husten-Etikette und einem Mindestabstand von einem Meter (vor allem zu offensichtlich Erkrankten) ein effektives Bündel und schützt sehr gut vor der Ansteckung mit Viren, die Atemwegsinfektionen verursachen.

Oberflächen spielen im Alltag eine untergeordnete Rolle bei der Übertragung von Grippe- und Bronchitis-Erregern, vor allem bei SARS-CoV2, sodass ständige Flächendesinfektion nicht notwendig ist. „Außerdem beugt eine regelmäßige Händehygiene der Kontamination von Oberflächen mit krankmachenden Erregern ohnehin vor“, betont Prim. Priv.Doz. Dr. Gattringer.

Das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes kann natürlich eine weitere Maßnahme sein, die vor Infektionen schützt, vor allem dann, wenn Mindestabstände in geschlossenen Räumen nicht eingehalten werden können und der Luftaustausch gering ist. Im Freien ist das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes nur äußerst selten notwendig, da es sehr rasch zu einem Verdünnungseffekt kommt. Die Maßnahmen sollten jedoch immer der Infektionsgefahr angemessen sein und einzelne Maßnahmen nach sorgfältiger Analyse der Situation hinzugefügt oder abgesetzt werden. „Es gibt kein ‚Ja‘ oder ‚Nein‘ zu der Frage, ob eine Maßnahme sinnvoll ist, sondern es gilt immer sorgfältig abzuschätzen: ‚Wer, Wann, Wo und Wie. Auch wenn man in letzter Zeit manchmal den Eindruck gewinnen könnte, dass nur bestimmte einzelne Maßnahmen vor einer Infektion schützen könnten, so gilt sowohl im Spital als auch außerhalb des Spitals, dass immer ein Bündel an Maßnahmen wirksam ist und nicht eine Maßnahme ‚der Schutz‘ schlechthin ist“, so der Mediziner.

Der Herbst und die respiratorischen Erreger – welche Empfehlungen und Maßnahmen sind in diversen Lebensbereichen verhältnismäßig

Eine Pandemie ist immer ein gesamtgesellschaftliches Ereignis. Für Dr. med. univ. Martin Sprenger, MPH, Arzt für Allgemeinmedizin und Public Health Experte, Graz, ist das oberste Ziel für die kommende Virensaison, den entstehenden gesundheitlichen, psychischen, sozialen und wirtschaftlichen Schaden möglichst klein zu halten: „Dazu braucht es ein ausgewogenes Maßnahmenpaket, das sowohl indirekte als auch direkte Schäden berücksichtigt.[16],[17] Keinesfalls darf es im Winter 2020/2021 zu einer Unter- und Fehlversorgung von anderen akuten und chronischen Erkrankungen kommen. Auch präventive, rehabilitative und gesundheitsförderliche Maßnahmen dürfen nicht eingeschränkt werden. Auch wenn zirka die Hälfte aller Todesfälle in der Europäischen Union Bewohnerinnen und Bewohner von Alten- und Pflegeheimen betraf [18], muss gewährleistet sein, dass das Recht auf Autonomie und Selbstbestimmung gewahrt bleibt. Auch in einer Pandemie dürfen ethische Prinzipien nicht verletzt werden“, so Dr. med. univ. Sprenger.

Einen wesentlichen Hebel sieht der Public Health Experte in der Bildung: „Sie ist eine der wichtigsten Determinanten für unsere Gesundheit. Jede Intervention im Bildungsbereich muss vorab auf die gesundheitlichen und gesellschaftlichen Folgen überprüft werden. Eine Pandemie trifft vulnerable Bevölkerungsgruppen besonders stark, sowohl direkt als auch indirekt. Daher dürfen die Maßnahmen keinesfalls die gesundheitliche und soziale Ungleichheit weiter vergrößern. Aus gesundheitswissenschaftlicher Sicht ist SARS-CoV-2 ein Gesundheitsrisiko das inzwischen gut gemanagt werden kann. Der Gesundheits- und Pflegebereich sollte in den kommenden Monaten dabei bestmöglich unterstützt werden. Die Politik sollte ihre Risikokommunikation entsprechend anpassen und die Kriterien für gute Gesundheitskommunikation ernst nehmen“, folgert Dr. med.univ. Sprenger.

 


[1]Meyerowitz-Katz G, Merone L. A systematic review and meta-analysis of published research data on COVID-19 infection-fatality rates [Internet]. Epidemiology; 2020 [zitiert 2020 Sept 7]. Verfügbar unter: medrxiv.org/lookup/doi/10.1101/2020.05.03.20089854

[2] Stellungnahme Deutsches Netzwerk Evidenzbasierte Medizin e.V. (EbM-Netzwerk) Berlin, den 04.09.2020 [zitiert 2020 Sept 7]. Verfügbar unter: https://www.ebm-netzwerk.de/de

[3] Ioannidis J. The infection fatality rate of COVID-19 inferred from seroprevalence data [Internet]. Infectious Diseases (except HIV/AIDS); 2020 [zitiert 2020 Sept 7]. Verfügbar unter: http://medrxiv.org/lookup/doi/10.1101/2020.05.13.20101253

[4] Streeck H, Schulte B, Kuemmerer B, Richter E, Hoeller T, Fuhrmann C, u. a. Infection fatality rate of SARS-CoV-2 infection in a German community with a super-spreading event [Internet]. Infectious Diseases (except HIV/AIDS); 2020 [zitiert 2020 Sept 7]. Verfügbar unter: http://medrxiv.org/lookup/doi/10.1101/2020.05.04.20090076

[5] VERORDNUNG (EU) 2017/746 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 5. April 2017 über In-vitro-Diagnostika und zur Aufhebung der Richtlinie 98/79/EG und des Beschlusses 2010/227/EU der Kommission

[6] Amtsblatt der Europäischen Union. MITTEILUNGEN DER ORGANE, EINRICHTUNGEN UND SONSTIGEN STELLEN DER EUROPÄISCHEN UNION EUROPÄISCHE KOMMISSION MITTEILUNG DER KOMMISSION Leitlinien für In-vitro-Tests zur Diagnose von COVID-19 und deren Leistung (2020/C 122 I/01)

[7] Matthew J. Binnicker. Challenges and Controversies Related to Testing for COVID-19. Division of Clinical Microbiology, Department of Laboratory Medicine and Pathology, Mayo Clinic, Rochester, MN 55905 JCM Accepted Manuscript Posted Online 12 August 2020, J. Clin. Microbiol. doi:10.1128/JCM.01695-20.

[8] Apfalter P, Reischl U. and MR Hammerschlag. MINIREVIEW. In-House Nucleic Acid Amplification Assays in Research: How Much Quality Control Is Needed before One Can Rely upon the Results? JOURNAL OF CLINICAL MICROBIOLOGY, Dec. 2005, p. 5835–5841 Vol. 43, No. 120095- 1137/05/$08.000 doi:10.1128/JCM.43.12.5835–5841.2005 Copyright © 2005, American Society for Microbiology.

[10] Rhee C, Kanjilal S, Bakter M and M. Klompas. Duration of SARS-CoV-2 Infectivitiy: When is it Safe to Discontinue Isolation? Clin Infect Dis, 2020, Doi/10.1093, accepted.

[11] CDC, coronavirus 2019 (COVID-19). Duration of Isolation and Precaution for adults with COVID-19, July 17, 2020

[12] WHO, Criteria für releasing COVID-19 pstients from isolation, scientific briefing, June 17, 2020

[13] Liguoro I, Pilotto C, Bonanni, M, Ferrari ME, Pusiol A, Nocerino A, Vidal E and Cogo P. SARS-COV-2 infection in children and newborns: a systematic review. European Journal of Pediatrics doi.org/10.1007/s00431-020-03684-7

[14] Empfehlung der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde zum Betrieb von Kinderbetreuungseinrichtungen und Schulen und dem Umgang mit respiratorischen Infektionen bei Kindern und Jugendlichen in der SARS-CoV-2 Pandemie

[15] Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH), der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI), der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendmedizin (DAKJ), der Gesellschaft für Hygiene, Umweltmedizin und Präventivmedizin (GHUP) und des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte in Deutschland (bvkj e.V.).Kinder und Jugendliche in der CoVid-19-Pandemie: Schulen und Kitas sollen wieder geöffnet werden. Der Schutz von Lehrern, Erziehern, Betreuern und Eltern und die allgemeinen Hygieneregeln stehen dem nicht entgegen.

[16] EBM Netzwerk. Stellungnahme. COVID-19 – Wo ist die Evidenz? Berlin, den 08.09.2020. Online verfügbar: www.ebm-netzwerk.de/de/veroeffentlichungen/covid-19 (07.09.2020)

[17] Schrappe, M; et al. Thesenpapier 4.0. Die Pandemie durch SARS-CoV-2/Covid-19 - der Übergang zur chronischen Phase. Köln, Berlin, Bremen, Hamburg. 30. August 2020. Online verfügbar: www.bmcev.de/aktualisiertes-thesenpapier-von-schrappe-et-al-zur-corona-pandemie-veroeffentlicht (07.09.2020)

[18] ECDC. High impact of COVID-19 in long-term care facilities, suggestion for monitoring in the EU/EEA, May 2020. Online verfügbar: www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7336111/ (07.09.2020)