Niederlassung muss bunt sein

Nach unserem letzten Leitartikel zum Thema PVE erreichten mich Stimmen, dass die Darstellung in Bezug auf die neue Zusammenarbeitsform zu negativ war. Ich habe den Artikel natürlich gelesen und freigegeben. Ich glaube er war neutral und hat Vor- und Nachteile wiedergegeben.

Es ist nicht die Aufgabe der Ärztekammer, etwas in den Himmel zu loben oder zu verteufeln. Unser Job ist es, für die Kolleginnen und Kollegen gemeinsam mit den Geldgebern, vorrangig der ÖGK und im Falle der PVE dem Land OÖ, sehr oft auch in heftigen Diskussionen, Zusammenarbeitsformen zu entwickeln. Wir versuchen dabei immer, Ihren Bedürfnissen nachzukommen, sodass Sie Freude daran haben, in den Ordinationen zu arbeiten und natürlich auch Ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Da gibt es kein gut oder schlecht. Da gibt es am Ende des Tages optimale Lösungen für die Bedürfnisse der Kolleginnen und Kollegen, die oft nicht unterschiedlicher sein könnten. Da braucht es natürlich auch gewisse Regeln, damit sich niemand benachteiligt fühlt.


FACHARZT FÜR ALLGEMEINMEDIZIN
Die Politik hat zumindest einmal eine Absichtserklärung abgegeben, dass der Facharzt für Allgemeinmedizin kommt. Dazu gehören aber sicher eine klare Absichtserklärung zur Verlängerung der Lehrpraxis und ein klares Bekenntnis zur Gleichstellung der Ausbildungsärztinnen und Ausbildungsärzte zum Facharzt für Allgemeinmedizin mit den Ausbildungsärztinnen und Ausbildungsärzten eines Sonderfaches. Wichtig ist es auch, die Ausbildung in den Spitälern auf die Bedürfnisse des neuen Sonderfaches anzupassen. Dazu gehört auch die in dieser Ausgabe vorgestellte Idee einer/eines ALAM. Jede/Jeder, die/der in einem Sonderfach ausgebildet wird, bekommt die Ausbildung von einer erfahrenen Oberärztin/einem erfahrenen Oberarzt, die/der sich schon viele Jahre mit dem Inhalt dieses Faches auseinandergesetzt hat. Jede/Jeder von uns, die/der schon lange in ihrem/ seinem Fach tätig ist, weiß aber nicht mehr so genau über die fachlichen Bedürfnisse einer Allgemeinmedizinerin/ eines Allgemeinmediziners Bescheid, darum braucht es eine Allgemeinmedizinerin/einen Allgemeinmediziner, die/der die jungen Kolleginnen und Kollegen in der Ausbildung im Krankenhaus begleitet. Sie/Er hilft ihnen dabei, den Fokus auf die notwendigen Inhalte zu legen und unterstützt auch die fachärztlichen Kolleginnen und Kollegen darin, die punktgenauen Inhalte ihres Sonderfaches zu vermitteln.

PATIENTENLENKUNG IST GEBOT DER STUNDE
Wenn wir nun viele Kolleginnen und Kollegen dafür begeistern sich niederzulassen, und viele neue Allgemeinmedizinerinnen und Allgemeinmediziner ausbilden, dann wird es Zeit, in der Patientenlenkung einen Zahn zuzulegen. Es gibt ja zwei Pilotprojekte in Oberösterreich, bei denen über einen sehr niedrigschwelligen Zugang über „1450“ die Patientinnen und Patienten im Gesundheitssystem an den jeweils richtigen Ort  gebracht werden sollen. Ich fragte einen Mitarbeiter des Roten Kreuzes, der bei der Organisation maßgeblich miteingebunden ist, wie das funktioniert. Die Antwort: „Ja, wenn die Patientin/der Patient bei 1450 anruft, dann passt es. Aber es rufen kaum welche an.“ Da bedarf es einfach anderer Maßnahmen. Ich habe in der Pandemie gelernt, dass die eigenverantwortliche Entscheidung etwas ganz Wichtiges ist. Expertinnen und Experten alleine zählen nix, sondern man saugt sich auch ein paar YouTube-Videos von selbst ernannten Expertinnen und Experten rein und entscheidet dann, was getan wird. Darum soll sich auch hier die Patientin/ der Patient selbst entscheiden. Wer sich an einen von den Gesundheitsexpertinnen und Gesundheitsexperten definierten Weg durch das Gesundheitssystem hält, ob nun über den Einstieg in dasselbe während der Tagesrandzeiten und Nachtstunden über 1450 oder untertags über eine Allgemeinmedizinerin/einen Allgemeinmediziner, hat seine Krankheitskosten über seine Sozialversicherungsprämie abgedeckt. Wer sich aus freien Stücken dafür entscheidet, gleich in die Ambulanz zu laufen, muss einen deutlichen Beitrag zahlen, denn es war die eigene Entscheidung der Patientin/ des Patienten, auf den vorgeschlagenen Weg zu verzichten, um ebenfalls eine optimale Betreuung zu bekommen.

 

Ihr Präsident Dr. Peter Niedermoser
Linz, im November 2022