Es wartet Arbeit auf uns

Ich hoffe, Sie hatten einen erholsamen Sommer. Zu manchen Zeiten konnte man fast den Eindruck gewinnen, viele Menschen wollten das Versäumte der vergangenen zwei Jahre aufholen. Ich hoffe, es ist trotzdem bei allen etwas Zeit übrig geblieben, sich zu erholen, denn es wartet viel Arbeit auf uns, nicht nur in der Standesvertretung.

In den letzten Sommerwochen haben wir medial verstärkt auf die Vielfältigkeit des Berufes einer Allgemeinmedizinerin/eines Allgemeinmediziners hingewiesen und auch jene Tools dargestellt, die die jungen Kolleginnen und Kollegen auf diesem beruflichen Werdegang unterstützen. Für mich ist die Allgemeinmedizin die Grundlage einer guten Versorgung der Bevölkerung. Gibt es genügend Allgemeinmedizinerinnen und Allgemeinmediziner, so ist eine Patientenlenkung – die wir dringend brauchen – keine Hexerei mehr. Dann sind auch die Ambulanzen in den Spitälern nicht mehr in dieser kaum noch erträglichen Form überlastet.

ÖGK IST IN DER VERANTWORTUNG
Die Zentralisierung der Gesundheitskassen hat uns in Oberösterreich nur Geld gekostet. 300 Millionen Euro wurden nach Wien „verfrachtet“ und niemand hat dieses Geld je wiedergesehen. Wir in Oberösterreich haben immer vor dieser Zentralisierung gewarnt. Hier ging es nur um Macht und nicht um eine Strukturverbesserung. Diese 300 Millionen Euro braucht es wieder in unserem Bundesland. Nicht nur, um die Honorarsituation auf allen Ebenen des niedergelassenen Bereichs attraktiver zu machen, sondern auch, um endlich einen Ausgleich zwischen Kassenstellen (mit und ohne Hausapotheken) zu erreichen. Dazu gehört auch, dass das Thema der Vereinbarkeit zwischen Familie und Ordination besser gelöst werden sollte – Thema Mutterschutz –, und auch die Ausbildung der jungen Kolleginnen und Kollegen hinsichtlich Allgemeinmedizin in den Spitälern zu stärken. In den Krankenhäusern braucht
es Stabsstellen für die allgemeinmedizinische Ausbildung, geführt von einer niedergelassenen Allgemeinmedizinerin/ einem niedergelassenen Allgemeinmediziner, um die jungen Kolleginnen und Kollegen, die sich zur Allgemeinmedizin berufen fühlen, in der Ausbildung nicht zu verlieren. Die ÖGK hat aus meiner Sicht auch Verantwortung in der Finanzierung der Ausbildung.

BETTENSCHLIESSUNGEN
In Wien gibt es sogenannte Gefährdungsanzeigen, da manche Abteilungen infolge des Personalmangels, vor allem im Pflegebereich, nicht mehr korrekt geführt werden können. Dasselbe Problem haben wir in jedem Bundesland. Diesen Mangel verspüren wir alle am eigenen Leib. Ich habe da auch nicht sofort eine Lösung parat. Es fehlt einfach an Menschen, die vor allem den Pflegeberuf ergreifen wollen. Ich bin mir sicher, dass der Weg der Akademisierung der Pflege der falsche war. Es ist auch nicht gut, dauernd in denMedien davon zu hören, dass die Pflegerinnen und Pfleger ständig am Limit sind. Wer soll diesen Beruf dann ergreifen? Ja, er ist – so wie das Arztdasein – anstrengend, sehr oft fordernd, aber auch wunderschön. Im ärztlichen Bereich sollte man sich schnell was mit den Zulassungsbedingungen überlegen, denn Tausende wollen diesen tollen Beruf ergreifen, und die meisten dürfen es nicht, weil zu wenig Ausbildungsplätze vorhanden sind.


TRÄGERORGANISATIONEN SIND GEFORDERT
Es kann nicht sein, dass irgendeine Studienabgängerin / irgendein Studienabgänger in Oberösterreich keinen Platz bekommt, weil es keinen Dienstposten gibt. Wenn wir etwas in der COVID-Krise gelernt haben,
dann ist es das: Es hat zumeist nicht an Geräten oder Beatmungseinheiten gefehlt, sondern an jenen, die sie bedienen konnten. Ärztinnen und Ärzte, Pflegerinnen und Pfleger sind die Voraussetzung einer guten medizinischen
Versorgung. Wir sollten hier umdenken. Wir haben im europäischen Vergleich eine der größten Dichten von PET-CT, von MRT, von Operationsrobotern und so weiter. Bald haben wir aber niemanden mehr, der diese Geräte steuern kann. Der Mensch geht den Maschinen vor. Schaffen wir Dienstposten und keine Plätze für Roboter.

 

Ihr Präsident Dr. Peter Niedermoser
Linz, im September 2022