Schildbürgerstreich in Zeiten der größten Gesundheitskrise

„Unfassbar!“ Auch Dr. Peter Niedermoser, Präsident der Ärztekammer für Oberösterreich, ist über die Ärztegesetznovelle entsetzt. Laut dieser wurde nicht nur die Führung der Ärzteliste, sondern auch die Kompetenz der Ärzteausbildung sowie der Qualitätssicherung aus den Händen der Ärztekammern in jene des Bundes bzw. der Länder gelegt. „Ein unglaublicher Schildbürgerstreich ohne Not. Und das in Zeiten einer Gesundheitskrise, wie wir sie seit Jahrzehnten nicht erlebt haben“, ärgert sich Dr. Niedermoser.

Ärzte diskutieren in der Gruppe

 „Seit Ausbruch der Corona-Pandemie wurde die Ausbildung der jungen Medizinerinnen und Mediziner zurückgestellt, weil auch diese an vorderster Front gekämpft haben, damit wir diese Gesundheitskrise bewältigen können. Das ist uns, dank des nahezu übermenschlichen Einsatzes der Medizinerinnen und Mediziner, auch gelungen – und dann kommt so ein Foul“, ist Dr. Peter Niedermoser verärgert. Er ergänzt: „Die jungen Ärztinnen und Ärzte haben alles dem Kampf gegen die Pandemie untergeordnet und verlieren jetzt die Chance auf eine gute Ausbildung. Denn nur Ärzte wissen, was Ärzte brauchen und wie sie ausgebildet werden müssen. Das betrifft Rahmenbedingungen genauso wie Fachliches.“

Höhere Kosten durch Parallelstruktur
Warum ausgerechnet die Länder nun die Hoheit über die Ausbildung haben sollen, kann  Dr. Niedermoser nicht nachvollziehen: „Die Länder werden vom Bund nun total überfahren und überfordert. Sie haben ja gar nicht die Kompetenzen und auch nicht die Infrastruktur, um das bewältigen zu können. Ich hoffe nun, dass sich die Länder gegen diesen Bundesbeschluss zur Wehr setzen. Denn auch sie müssen wissen, dass die Kompetenzen am besten dort aufgehoben sind, wo sie bis jetzt waren: nämlich bei den Ärzten.“ Und Dr. Harald Mayer, Kurienobmann der angestellten Ärzte, ergänzt: „Statt österreichweit einheitlich die Ausbildungsagenden der Ärzte zu vollziehen, müssen die Bundesländer jetzt mit Steuermitteln neun Parallelsysteme aufbauen – das Geld wäre besser in der Versorgung der Bevölkerung investiert.“ Er sieht die Novelle als ungerechtfertigten Angriff auf die Kammer und deren Selbstverwaltung: „Jetzt zahlt die Bevölkerung doppelt drauf – die Österreicherinnen und Österreicher bekommen für zusätzliche Kosten ein schlechteres, zersplittertes und unausgegorenes System.“

Bei der Qualitätssicherung hat man durch die Novelle absolutes Chaos geschaffen: „Es gibt ein bewährtes, gut funktionierendes System – das hat man nun mutwillig zerstört“, sagt Dr. Niedermoser. Er sieht diese „Nacht-und-Nebel-Novelle“ auch als Versuch, die Ärztekammer in den politischen Griff zu bekommen: „Gute medizinische Versorgung kostet Geld – deshalb haben wir haben uns immer gegen Einsparversuche gewehrt. Das hat sich in der Pandemie bezahlt gemacht, da hat sich gezeigt, dass unser Gesundheitssystem hervorragend ist. Ob wir das Top-Niveau halten können, wird sich zeigen…“