OÖ-Ärztekammer-PK: Neue Formen der Finanzierung im Gesundheitssystem

Pressekonferenz am 3. Jänner 2023

In den letzten Wochen sickerte durch, dass im Rahmen der Finanzausgleichs-Verhandlungen eine neue dritte Säule der Finanzierung des Gesundheitssystems angedacht ist, die offenbar von den Ländern verwaltet und zwischen den Ordinationen und den Krankenanstalten angesiedelt sein soll. Die Ärztekammer für Oberösterreich hat bereits vor Jahren ein Konzept entwickelt und einen Vorschlag für eine Neugestaltung des österreichischen Finanzierungssystems im Gesundheitswesen beschlossen. Dieses Modell sieht im Wesentlichen vor, dass nur mehr der stationäre Bereich über den Gesundheitsfonds bezahlt werden soll, während die gesamte ambulante Versorgung (wie etwa in Deutschland) gemeinsam über das Gesamtvertragssystem gesteuert und bezahlt wird.

Die aktuelle Situation
Derzeit regelt das Krankenanstalten- und Kuranstalten-Gesetz (KAKuG) die Aufgaben der Spitalsambulanzen. Im Gesetz ist dabei vorgesehen, dass diese Ambulanzen zu bestimmten Zwecken geführt werden. Etwa für Erste Hilfe in Notfällen, die Vor- bzw. Nachbetreuung stationärer Patienten oder für Leistungen, die im niedergelassenen Bereich in zumutbarer Entfernung nicht zur Verfügung stehen. Untersuchungen zeigen, dass in Österreich der Großteil der in Spitalsambulanzen erbrachten Leistungen im niedergelassenen Kassenbereich zu erbringen wäre. „Die gelebte Realität sieht aber leider anders aus. Diese Fehlentwicklung hat vor allem zwei Gründe. Zum einen fehlt es an einer guten und zielgerichteten Patientenlenkung, zum anderem fehlt ein flächendeckendes Angebot im niedergelassenen Bereich. Aktuell sind alleine in Oberösterreich 53 Kassenstellen unbesetzt, 38 davon in der Allgemeinmedizin“, sagt Dr. Peter Niedermoser, Präsident der Ärztekammer für Oberösterreich.

Folgen sind eklatant
Die Folgen sind überlastete Spitalsambulanzen und lange Wartezeiten für Patientinnen und Patienten. Dabei gibt es immer wieder politische Ankündigungen zur Stärkung des niedergelassenen Bereiches. Diesen Worten folgen aber seitens der Bundespolitik oder auch der Sozialversicherungsträger kaum Taten. Im Gegenteil: Durch die Kassenfusion wurde der niedergelassene Bereich gerade in Oberösterreich noch einmal deutlich geschwächt, weil bislang insgesamt 300 Millionen Euro aus unserem Bundesland zur Abdeckung von Schulden anderer Länderkassen nach Wien abgeflossen sind. Alleine 2021 sind aus Oberösterreich 92 Millionen Euro im Moloch von Wien verschwunden. Die Ärztekammer für Oberösterreich hat bereits in der Vergangenheit immer wieder effiziente Konzepte präsentiert, wie man den niedergelassenen Bereich in unserem Bundesland stärken könnte. Diese Ideen scheiterten bisher aber an der Unbeweglichkeit der gesundheitspolitischen Verantwortlichen.

Kosten für Spitalsambulanzen pauschaliert
Die derzeitige Struktur sieht eine Finanzierung der Spitäler aus Steuermitteln, einem pauschalierten SV-Beitrag, Leistungen aus privaten Versicherungen, Selbstbehalten und dem Eigenanteil der Rechtsträger vor. Der niedergelassene Bereich finanziert sich derzeit hingegen ausschließlich durch SV-Beiträge und Selbstbehalte. Da die Kosten für die Kasse in den Spitalsambulanzen pauschaliert sind, führen Verlagerungen vom Spitalsbereich in den von den Kassen finanzierten niedergelassenen Bereich zu einer Erhöhung der Kassenausgaben, ohne dass gleichzeitig die Spitalsbeiträge der Kassen sinken würden. Die Kassen haben daher wenig Ambition, den niedergelassenen Bereich auszubauen. Da die öffentlichen Spitäler gesetzlich verpflichtet sind, die Versorgungsdefizite des niedergelassenen Bereiches aufzufangen, sitzen die Krankenkassen auch am längeren Ast. Das derzeitige Finanzierungssystem verhindert behindert damit die unbestritten vernünftige Verlagerung ambulanter Leistungen von der Spitalsambulanz in die Ordination.

Konzept der Ärztekammer
Eine denkbare Lösung wäre eine Finanzierung des gesamten Gesundheitssystems aus einer Hand. Diese ist aber politisch unrealistisch und setzt die Entscheidung voraus, wer diese eine Hand sein soll. Der Staat oder die Kasse? Beides würde zu einer Unterfinanzierung führen, wie das Beispiel vieler Länder mit verstaatlichtem Gesundheitssystem (zum Beispiel England, Schweden, Italien) zeigt. Diese Unterfinanzierung würde erst recht zu Lasten des niedergelassenen Bereichs gehen. „Daher schlägt die Ärztekammer für Oberösterreich ein neues Finanzierungskonzept vor. Dieses beruht zwar weiter auf zwei Säulen, die Grenze dieser dualen Finanzierung würde aber anderes gezogen werden. So sollten künftig die Kassenärzte sowie die Spitalsambulanz aus einem Topf, der stationäre Bereich aus einem zweiten Topf finanziert werden. Das Geld für die Kassenärzte würde dabei über das Gesamtvertragssystem der Kassen und der Ärztekammern gesteuert, jenes des stationären Bereiches so wie bisher über den Landesgesundheitsfonds“, sagt Hon.-Prof. Dr. Felix Wallner, Kammeramtsdirektor der Ärztekammer für Oberösterreich.

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Positive Auswirkungen sind spürbar
Die positiven Auswirkungen liegen auf der Hand: Die SV-Träger hätten aufgrund des Drucks von Seiten der Versicherten einen hohen Anreiz, die wohnortnahe, extramurale Betreuung zu stärken. Ein Beispiel könnte man sich hier an Deutschland nehmen. Dort wird der niedergelassene Bereich über die Kassenärztliche Vereinigung gesteuert, eine gesetzlich eingerichtete Institution, der alle Kassenärzte angehören. Nur wenn die jeweilige ambulante Leistung in einer Ordination nicht wirtschaftlich erbringbar ist, wird sie von einer Spitalsambulanz zugekauft. Das gilt etwa für onkologische Spezialambulanzen, HIV-Ambulanzen oder für investitionsintensive nuklear-medizinische Leistungen. Damit sind in Deutschland die Ambulanzen viel weniger belastet als bei uns. Auch politisch wäre diese Lösung realistischer als die Finanzierung aus einer Hand, weil sowohl Länder als auch die Krankenkassen weiter ihren Einfluss behalten würden. Für die Patientinnen und Patienten würde es den Vorteil bringen, dass es zu einem Ausbau der wohnortnahen Versorgung kommt und die Gefahr eines verstaatlichten Gesundheitssystems vermieden würde.

Umsetzung leicht möglich
Bei einer Umsetzung dieses Modells müssten natürlich den Kassen auch die (derzeit gar nicht vorhandenen) Mittel zur Finanzierung der gesamten ambulanten Leistungen zur Verfügung gestellt werden. Nach dem Motto: „Geld folgt Leistung“ könnte dies sehr einfach dadurch erreicht werden, dass den Kassen ein geringerer Beitrag zu den stationären Spitalskosten abverlangt werden sollte, die Kassen aber gleichzeitig mit den dadurch zur Verfügung stehenden zusätzlichen Finanzierungsmitteln alle bisher in den Spitalsambulanzen erbrachten Leistungen vollständig zu finanzieren hätten. Erbracht werden sollen diese Leistungen dann vorrangig in den Kassen-Ordinationen. Soweit es sich um Spezialleistungen handelt, die weiter in den Spitalsambulanzen erbracht werden, müssten dafür spezielle Teil-Kassenverträge mit den jeweiligen Ambulanz-Ärzten abgeschlossen werden.

Leistungen in den Ambulanzen
Leistungen in den Spitalsambulanzen sollen dann nur noch nach einer Zuweisung durch den niedergelassenen Facharzt oder Allgemeinmediziner kostenfrei erbracht werden. Kommt es zu einer direkten Inanspruchnahme dieser Leistungen ohne Zuweisung, dann wäre ein Selbstbehalt von der Patientin bzw. vom Patienten einzuheben.

Zusammenfassung
Die Lösung vieler akut in der Finanzierung des Gesundheitssystems bestehender Probleme, wäre eine getrennte Finanzierung zwischen ambulantem und stationärem Bereich. Der gesamte ambulante Bereich (Ordinationen, Gruppenpraxen, Primärversorgungseinheiten und Spitalsambulanzen) sollen von den Krankenkassen im Rahmen des Gesamtvertragssystems (Kassen und Ärztekammern) finanziert werden. Nur der stationäre Bereich wäre über die Gesundheitsfonds der Bundesländer zu steuern.