Pressekonferenz: Stillstand in den Verhandlungen führt zu Leistungseinschränkungen für Patientinnen und Patienten

Überfüllte Ordinationen, randvolle Spitalsambulanzen. Die ärztliche Versorgung in Oberösterreich steht an der Kippe. Allein in Oberösterreich waren im 2. Quartal dieses Jahres 46 Kassenstellen unbesetzt, 31 davon in der Allgemeinmedizin. Das ist im Bundesländer-Vergleich spitze. Hier ist die Österreichische Gesundheitskasse massiv gefordert.

MR Dr. Paul Niederberger und OMR Dr. Wolfgang Ziegler (vlnr)

„Das ist ein enormes Vakuum, das zum großen Teil von engagierten Kolleginnen und Kollegen aufgefangen wird, die ohnehin mit ihren Patientinnen und Patienten bereits voll ausgelastet sind und ohne dass diese dafür eine adäquate Gegenleistung bekommen. Es bedeutet aber auch eine massive Einschränkung der allgemeinmedizinischen Versorgung für die Bevölkerung“, so OMR Dr. Wolfgang Ziegler, Kurienobmann der niedergelassenen Ärzte in der Ärztekammer für Oberösterreich. Bezieht man die offenen Kassenstellen auf die Bevölkerungszahl, dann sind wir in Österreich spitze. „Das ist allerdings ein Bestwert, auf den man nicht stolz sein kann“, so Dr. Ziegler. Wenn man rechnet, dass eine Kassenstelle im hausärztlichen Bereich laut Stellenplan durchschnittlich 2500 Patientinnen und Patienten versorgen soll, so sind das allein in der Allgemeinmedizin fast 80.000 Menschen, die aktuell keinen Hausarzt haben. Aufgrund der demografischen Entwicklung in den letzten Jahren bräuchte es aber noch weitere zusätzliche Stellen über den Stellenplan hinaus. Denn die Bevölkerungszahl in Oberösterreich hat in den letzten 20 Jahren um fast zehn Prozent auf über 1,5 Millionen Menschen zugenommen. „Daher ist es nicht verwunderlich, dass wir im Bundesländer-Vergleich in Oberösterreich den niedrigsten Prozentsatz an niedergelassenen Ärzten haben“, so Dr. Ziegler. Dazu kommt eine immer älter werdende, multimorbide Bevölkerung sowie eine zunehmend anspruchsvollere und aufwändigere Medizin.

Ohne Maßnahmen kippt das System

Hier braucht es dringend Maßnahmen. Eine zentrale Maßnahme ist eine effiziente Patientenlenkung, die auch im Regierungsprogramm verankert ist. „Das geht aber nur mit dem Ausbau und der Stärkung des niedergelassenen Bereichs. Und hier braucht es attraktive Modelle, um wieder mehr Kolleginnen und Kollegen in die Niederlassung zu bringen. Ich sage es in aller Deutlichkeit: Hier ist die Österreichische Gesundheitskasse massiv gefordert“, so Dr. Ziegler. Neben der finanziellen Stärkung der Niederlassung im Allgemeinen braucht es einen dringend notwendigen Bürokratie-Abbau und einen attraktiveren und flexibleren Kassenvertrag. „Denn gerade junge Kolleginnen und Kollegen haben einen anderen Anspruch an die Arbeitswelt als die älteren. Leider treten die Chefverhandler der Österreichischen Gesundheitskasse hier aber seit Monaten auf die Bremse. Mehr noch, es macht den Anschein, dass ihnen die Sorgen und Anliegen der Ärzteschaft und der Patientinnen und Patienten fast schon egal sind“, so Dr. Ziegler. Viel mehr wird der Ärzteschaft regelmäßig über die Medien ausgerichtet, dass diese einen Solidarbeitrag zu leisten habe. Heißt im Klartext: Die Versäumnisse der ÖGK soll die Ärzteschaft mit Mehrarbeit und ohne zusätzliche finanzielle Abgeltung kompensieren. Die Kolleginnen und Kollegen übernehmen aber ohnehin bereits die zusätzliche Versorgung der unbesetzten Kassenstellen und haben gerade in der herausfordernden Coronazeit sehr viel geleistet. Anstatt eines wertschätzenden „Danke“ gab es seitens der ÖGK bisher nur mediale Diffamierungen und Forderungen. Oftmals auch gegen Wahlärztinnen und Wahlärzte, die als nicht versorgungsrelevant dargestellt wurden.

Verbesserungen, die kein Geld kosten

Aktuell ist es so, dass aufgrund der Ausgestaltung des Kassenvertrags jene bestraft werden, die mehr arbeiten. „Ein Irrsinn ist aber auch, dass uns die ÖGK gerade das vorwirft. Dass nämlich die Ärzteschaft deutlich mehr Patientinnen und Patienten behandelt hat als in der letzten Periode“, so Dr. Johanna Holzhaider, Kurienobmann-Stv. der niedergelassenen Ärzte in der Ärztekammer für Oberösterreich. „Das ist ein Zustand, den wir nicht mehr länger tolerieren können“, so die Allgemeinmedizinerin. Uns ist aber auch der erbärmliche finanzielle Zustand der Österreichischen Gesundheitskasse samt prognostiziertem Defizit von 900 Millionen Euro klar. Daher haben wir in jüngster Zeit auch immer wieder Vorschläge gemacht, wie man den Kassenvertrag auch ohne Erhöhung der Tarife attraktiver gestalten kann. Ein Beispiel ist hier die 4-Tage-Woche. Das wäre gerade für Ärztinnen ein großer Vorteil, um Beruf und Arbeit gut vereinbaren zu können.

Dialog wieder aufnehmen

„In Gesprächen mit der ÖGK entsteht immer wieder der Eindruck, dass die ÖGK selbst kein lückenloses und stichfestes Zahlenmaterial besitzt. Das wäre aber für eine konstruktive Zusammenarbeit dringend nötig. Die ÖGK soll daher endlich ihren Zahlen-Saustall aufräumen“, so Dr. Holzhaider. Um die Heilmittelversorgung der Bevölkerung weiter zu gewährleisten, wäre es auch dringend nötig, wieder einen Arzneimittel-Dialog zu führen. „Hier herrscht aber seit zwei Jahren Stille“, so Dr. Holzhaider. Der Arzneidialog wurde 1999 von der Ärztekammer für Oberösterreich und der ÖGK-Landesstelle, damals die OÖ-Gebietskrankenkasse, ins Leben gerufen. Ziel war es, die steigenden Ausgaben im Heilmittelbereich einzudämmen und damit die Versorgung der Bevölkerung zu sichern. Auch die so genannte "Zielvereinbarung“ hat sich bewährt. Mit dieser Regelung wird seit 2005 die Verschreibung von Medikamenten auf Kassenkosten durch die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte neu geregelt. Durch diese De-facto-Abschaffung der Chefarztpflicht, ist es in Oberösterreich den Ärzten und der Kasse gemeinsam gelungen, Abläufe zu rationalisieren und so Gelder einzusparen.

Versicherte wollen 500 Millionen zurück

„Ein wesentlicher Grund für die verfahrene Situation und den Stillstand in der ÖGK liegt sicher in der missglückten Kassenfusion“, so MR Dr. Paul Niederberger, Kurienobmann-Stv. der niedergelassenen Ärzte in der Ärztekammer für Oberösterreich. Bis dahin war die Zusammenarbeit mit der Landesstelle Oberösterreich vorbildlich und es konnten immer wieder Verbesserungen für die Patientinnen und Patienten sowie neue innovative Projekte für die Ärzteschaft und zum Wohle der Patienten umgesetzt werden. Durch die Kassenfusion ist allerdings kein strukturelles Zusammenarbeiten mit der Landesstelle mehr möglich, weil die Entscheidungen zentral im ÖGK-Moloch in Wien getroffen werden. Zudem sind nach der Kassenfusion aus oberösterreichischen Versicherungsgeldern 500 Millionen Euro in den ÖGK-Bundesbudgettopf abgeflossen und dort versickert. Dieses oberösterreichische Versichertengeld sollte hier den Versicherten auch zugutekommen. „Niemand kann ernsthaft glauben, dass wir die Budgetlöcher der anderen Bundesländer stopfen“, so Dr. Niederberger. Oft wurde versprochen, dass zumindest ein Teil für Strukturmaßnahmen in unser Bundesland zurückkommt, nichts davon ist aber bisher vom Versprochenen eingehalten worden. „Auch hier haben wir sinnvolle Ideen eingebracht: Etwa ein telemedizinisches Projekt für Hautärzte in Oberösterreich. Dieses hätte mit modernen Mitteln die Wartezeiten beim Vertragsarzt-Dermatologen reduzieren können. Aktuell sind in Wels und Umgebung vier Kassenstellen für Dermatologie unbesetzt. „Aufgrund des Finanzdebakels spart hier die ÖGK am falschen Platz und nimmt damit eine gefährliche Leistungsreduktion in Kauf“, so Dr. Niederberger und appelliert an die ÖGK: „Nehmen Sie den Pfad konstruktiven Dialogs wieder auf, damit die Versorgungsqualität gesichert und die Vertragsmedizin attraktiver wird.“

Reden statt Drohen

Das alles spitzt die medizinische Versorgung in Oberösterreich weiter massiv zu. Dabei zeigen es andere Bundesländer vor, wie es gehen kann. Während hier Patientinnen und Patienten auf Leistungen verzichten müssen, die in unserem Bundesland nur begrenzt (limitiert) angeboten werden können, geht das in anderen Bundesländern reibungslos, etwa beim Gynäkologischen Ultraschall und vielem mehr.

Dazu ist es immer wieder befremdlich, wenn die Spitze der ÖGK fast mantraartig dazu aufruft, dass die Ärzteschaft (wie erwähnt) einen Solidarbeitrag leisten muss. Dies wurde und wird längst gemacht. Wir können daher keine weiteren Einsparungen mehr tolerieren und das wird zwangsläufig dazu führen, dass es nun selbst zu Einsparungen in der Leistungserbringung kommen muss. Hier ein paar Beispiele:

  • Vereinzelt müssen Ordinationen auf vier Öffnungstage pro Woche reduzieren, um keine Leistungs- und Frequenzüberschreitungen mehr zu begehen. Daher können wir nur mehr deutlich weniger Termine in den Ordinationen vergeben, was zu noch längeren Wartezeiten führen wird.
  • Sehr belastend ist in vielen Ordinationen die telefonische Erreichbarkeit, die ebenfalls eingeschränkt werden muss und damit auch telefonische Auskünfte stark reduziert werden.
  • Leistungen, die nicht kostendeckend honoriert werden, können nicht weiter angeboten werden.
  • Auch der hausärztliche Notdienst, eine Einrichtung, auf die Oberösterreich zu Recht stolz ist, wird möglicherweise der Vergangenheit angehören müssen, um das geforderte Sparpotential zu erreichen. Dabei ist gerade dieser HÄND ein Vorzeigemodell, wie mehrere Systempartner gut zusammenarbeiten können. In diesem Fall eben die Ärztekammer für OÖ mit dem Land OÖ, das Rotes Kreuz OÖ und der Landesstelle der ÖGK.

„Die Menschen in Oberösterreich und darüber hinaus haben das Recht auf eine funktionierende Gesundheitsversorgung. Bleibt die ÖGK aber auf ihrem falschen Kurs, dann steuern wir auf den Abgrund zu“, so Dr. Ziegler. Wir fordern die ÖGK daher auf, die gute Zusammenarbeit, die die OÖ-Ärzteschaft mit der OÖ ÖGK vor der Kassenfusion gepflogen hat, nicht durch ein Missmanagement der ÖGK-Spitze und durch eine grenzenlose Selbstüberschätzung zu gefährden. Nur so kann Schaden von den hunderttausenden Versicherten abgewendet werden. Die ÖGK ist am Zug zu zeigen, dass ihr die vielen bereits verunsicherten Patientinnen und Patienten und die engagierten Ärztinnen und Ärzte etwas wert sind.

 

Fotocredit (c) OÖÄK