OÖ-Ärztekammer-Faktencheck zu Wahlarzt-Aussagen von ÖGK-Huss

„Ich finde es äußerst befremdlich, dass ein Obmann der ÖGK so schlecht informiert ist“, sagt MR Dr. Claudia Westreicher, 1. Vizepräsidentin und Leiterin des Wahlarzt-Referats in der OÖ-Ärztekammer, zu den skandalösen Aussagen von Andreas Huss in der ORF-Pressestunde. Die OÖ-Ärztekammer ist dem ÖGK-Verwaltungsrat gerne mit einem detaillieren Faktencheck behilflich, seine Wissenslücken zu schließen.

Fotocredit (c) ÄKOÖ/Schwarzl

Huss-Aussage: „Von 10.000 Wahlärzten haben nur 460 das e-card-System.“

Faktencheck: Bei Einführung des e-card-Systems haben neben den Kassenärzten nur Wahlärzte, die mehr als 150 Vorsorgeuntersuchungen im Jahr gemacht haben, eine Ausstattung bekommen. Viele Wahlärztinnen durften und konnten das System gar nicht erwerben. „Gerade die ÖGK hat sich immer dagegen gewehrt, Wahlärzten den Zugang zum elektronischen System zu ermöglichen“, so MR Dr. Westreicher. War ein Wahlarzt mit dem System ausgestattet, dann konnte dieser/diese nur den Fall „Vorsorge“ stecken und die Formulare schicken. Es gibt keine Abfrage einer Rezeptgebührenbefreiung, kein ELGA, keine elektronische Krankmeldung, keine Teilnahme an e-Medikation, u.s.w. „Selbst für eine eingeschränkte Rezepturbefugnis haben wir in Oberösterreich 20 Jahre lang gebraucht, um sie zu bekommen“, so MR Dr. Westreicher. Geändert hat sich die Lage erst durch die Corona-Pandemie und -Impfungen und der Notwendigkeit, durchgeführte Impfungen auch im e-Impfpass einzutragen. Da war dann der Erwerb des e-card-Systems mit Zugang zu diesen Tools möglich. Die Einführung des e-Rezepts Anfang dieses Jahres hat auch bei Wahlärzten zu verstärkter Nachfrage nach dem e-card-System geführt. „Viele wurden aber in der Umsetzung blockiert, weil die ÖGK sie nicht freischalten hat lassen“, spricht MR Dr. Westreicher aus der Praxis.

 

Huss-Aussage: „Da kommen zum Teil handgeschriebene Wahlarzt-Rechnungen herein, wo unsere Mitarbeiter dann in mühevoller Kleinarbeit herausfiltern müssen, was ist da Kassenleistung.“

Faktencheck: „Die Transparenz einer Rechnung ist nicht davon abhängig, wie diese geschrieben wird! Die Möglichkeit, Rechnungen für die Patentinnen und Patienten online bei der ÖGK einzureichen, gibt es in Oberösterreich schon seit Jahren. Dieses Tool, das WAH-Online, wird erst seit kurzem österreichweit ausgerollt“, so MR Dr. Westreicher.

 

Huss-Aussage: „Wenn sie zum Kassenarzt gehen, dann bekommen sie dort wissenschafts- und evidenzbasierte Medizin. Wir bezahlen keine Klangschalen-Therapie, die bei den Wahlärzten stattfinden (…) wir bezahlen auch nicht das Eigenurin-trinken …“

Faktencheck: „Die Andeutung, dass Wahlärztinnen und Wahlärzte nur Medizin betreiben, die nicht evidenzbasiert sei und ihre Patientinnen und Patienten zum Trinken des eigenen Urins auffordern, ist eine bodenlose Frechheit und wird aufs Schärfste zurückgewiesen“, kontert MR Dr. Westreicher die wohl skandalöseste Huss-Aussage dieses Interviews.

 

Huss-Aussage: „Nur 460 Wahlärzte können ELGA-Befunde aus den Spitälern sehen.“

Faktencheck: Es ist nicht unbedingt nötig, in ELGA-Befunde einzusehen. Es sind ohnehin noch lange nicht alle Krankenhaus-Befunde dort verfügbar, Facharztbefunde sind noch gar nicht abrufbar. Es gibt auch andere elektronische Befundübertragungssysteme, die auch von Wahlärztinnen und Wahlärzten benützt werden (DaMe, Medical net, …). Und es gibt immer noch den schriftlichen Befund auf dem Postweg, der nie handgeschrieben wird.

 

Huss-Aussage: „Was wir im Wahlarzt-System fordern: Dass hier transparent abgerechnet wird.“

Faktencheck: Die Behauptung an sich, dass Wahlärztinnen und Wahlärzte von der ÖGK Geld ausbezahlt bekommen, ist mit Ausnahme der Vorsorgeuntersuchungen (für die diese ja Vertragspartner sind) und derzeit der COVID-Impfungen (die ja dann vom Bund an die Kasse erstattet werden) völlig falsch. Die Versicherten finanzieren die Rechnung immer vor und bekommen dann von ihrer Versicherung eventuell eine Rückerstattung in Höhe eines Teils des Kassentarifs. Streng genommen und wirtschaftlich betrachtet, sind Wahlarztpatientinnen und -patienten für die SV die „billigsten Patienten“.

 

FAZIT: Wenn man mehr Ärztinnen und Ärzte ins Krankenkassensystem bringen will, ist es absolut notwendig, mit ihnen partnerschaftlich, respektvoll und auf Augenhöhe umzugehen. „Aussagen wie von Herrn Huss tragen dazu aber sicher nicht bei“, so OMR Dr. Westreicher. Es ist dringend nötig, die Rahmenbedingungen zu verbessern und ein Vertragsverhältnis mit der ÖGK wieder attraktiv zu gestalten. Dazu gehört, dass man ärztliche Leistungen fair bezahlt, und auch, dass man erbrachte Mehrleistungen honoriert und nicht mehr limitiert. Unbedingt sollte man auch neue Lösungen in Richtung flexible Ordinationszeiten und Teilzeitkassenverträge andenken.