Ärztebedarf in Oberösterreich

Am 7. November veranstaltete die OÖ-Ärztekammer eine sehr gut besuchte Pressekonferenz zum Thema "Ärztebedarf in Oberösterreich - ein Blick in die Zukunft". Am Podium: Präsident Dr. Peter Niedermoser, Kammeramtsdirektor Hon.-Prof. Dr. Felix Wallner und Simulationsexperte Dr. Niki Popper.

Fotocredit: ÄKOÖ/Neißl

Die Zahl der unbesetzten Kassenstellen steigt in Ober- und in Österreich massiv an. Bundesweit sind alleine über 100 Hausarzt-Praxen unbesetzt, in Oberösterreich sind es inklusive aller Fachrichtungen aktuell insgesamt 55. Der Mangel an Ärztinnen und Ärzten wird sich in den nächsten Jahren noch weiter verschärfen. Aus diesem Grund hat die Ärztekammer für OÖ heute eine Pressekonferenz abgehalten. Denn die Altersverteilung und der Altersschnitt der heimischen Ärzteschaft zeigen sehr deutlich, dass in den kommenden Jahren mit einer großen Pensionierungswelle zu rechnen ist. So sind aktuell 3474 Ärztinnen und Ärzte in Österreich über dem gesetzlichen Pensionsalter, in zwölf Jahren werden weitere 17.310 dazu kommen. Dazu ist die Zahl der Absolventinnen und Absolventen an den heimischen Medizinischen Universitäten seit 2012 teils stark gefallen, obwohl die Zahl der Studienplätze im gleichen Zeitraum leicht gestiegen ist. Ist das ein Widerspruch? Nein! Denn 2006 hat der Europäische Gerichtshof die Zugangsmöglichkeiten für Studierende aus EU-Staaten in Österreich vereinfacht. Seit 2007 liegt die Quote für Studierende aus dem EU-Raum in Österreich bei 25 Prozent, alleine knapp 20 Prozent kommen aus Deutschland.

Viele gehen nach dem Studium zurück ins Ausland

„Viele von diesen Absolventinnen und Absolventen ergreifen im Anschluss an das Studium jedoch keine Tätigkeit als Turnusärztin oder Turnusarzt in Österreich. Auffallend ist, dass insbesondere wenige Medizin-Absolventinnen und Absolventen, die deutsche Staatsbürger sind und in Österreich studiert haben, in Österreich als Ärztin bzw. als Arzt tätig werden. Offenbar ist es für viele junge Menschen wenig attraktiv, als Absolventin und Absolvent einer Medizinischen Fakultät in Österreich hier auch mit dem Turnus zu beginnen“, sagt Dr. Peter Niedermoser, Präsident der Ärztekammer für Oberösterreich.

Drei Faktoren entscheidend

Das bedeutet zusammengefasst, dass es betreffend des aktuellen und künftigen Ärztemangels drei entscheidende Faktoren gibt: Es gibt immer weniger Medizin-Studenten, die nach dem Studium auch beruflich in Österreich bleiben. Die Zahl der Österreicherinnen und Österreicher, die zu einem Medizinstudium zugelassen werden, geht seit Jahren stark zurück. Und zum dritten drängen gerade bei der jungen Ärzteschaft immer mehr Kolleginnen und Kollegen als Teilzeit-Kräfte auf den Arbeitsmarkt. Diese Faktoren verschärfen den Ärztemangel in Oberösterreich und Österreich dramatisch.

Planung des Ärztebedarfs dringend notwendig

„Daher braucht es dringend eine effektive und sinnvolle Planung des Ärztebedarfs in Bezug auf den Betriebs-Vorbehalt sowie den Ärzte-Vorbehalt. Diese exakten Planungen gibt es etwa bei den Kassenstellen oder der Personalplanung in den Spitälern ohnehin bereits, was fehlt ist aber die Planung des mittel- und langfristigen Bedarfs an Gesundheitspersonal“, weiß Dr. Niedermoser. So gibt es bis heute keine Regelung betreffend der Anzahl an benötigten Ärztinnen und Ärzten, Pflegerinnen und Pfleger oder ähnlichen wichtigen Bereichen im Gesundheitssystem. Erschwerend kommt noch hinzu, dass es in Österreich keine zentrale Einrichtung gibt, die festlegt, wie viele Medizin-Studentinnen und -Studenten es benötigt, um den entsprechend notwendigen Nachwuchs zu sichern.

Planungskommission auf Landesebene

„Die Ärztekammer für Oberösterreich schlägt etwa eine Planungskommission auf Landesebene vor, wie es etwa beim Stellenplan für den niedergelassenen Bereich sowie bei der Spitalsplanung bereits der Fall ist. Hier sollten Vertreter der Universitäten, der Sozialversicherungen, Land, Bund und Ärztekammer in regelmäßigen Abständen zusammen kommen. In einem weiteren Schritt müssten dann die Ergebnisse aller Bundesländer-Kommissionen zusammengeführt werden“, sagt Hon.-Prof. Dr. Felix Wallner, Kammeramtsdirektor der OÖ-Ärztekammer. Die Planung des Ärztebedarfs könnte dann für die nächsten zehn bis 15 Jahre erfolgen. Dies entspricht einem realistischen Zeitraum, denn so lange dauert in Österreich die durchschnittliche Ärzteausbildung. „Parallel dazu muss die Zahl der Ausbildungsstellen in den Spitälern an den jeweiligen Bedarf angepasst werden. Bis 2015 etwa waren Spitäler verpflichtet, pro 15 Betten eine Allgemeinmedizinerin bzw. einen Allgemeinmediziner auszubilden. Diese Regelung ist seit einigen Jahren gefallen, die Folgen zeigen sich etwa an den nicht besetzten Kassenstellen“, so Dr. Wallner.

Höhere Ausbildungskapazitäten benötigt

Will man eine Lösung des Problems herbeiführen, dann es ist wichtig zu analysieren, wie sich die Zahl der benötigten Ärztinnen und Ärzte in den nächsten Jahren entwickeln wird, um einen Mangel bzw. einen Überschuss zu erkennen. Denn es ist weder sinnvoll zu wenige noch zu viele Ärztinnen und Ärzte in das System zu bringen. Um diese Entwicklung zu analysieren, wurde ein Simulationsmodell geschaffen. Die Schlussfolgerung: Betrachtet man die Ergebnisse für alle Fachrichtungen gemeinsam, ist zu sehen, dass vor allem in den nächsten Jahren erhöhte Ausbildungskapazitäten benötigt werden. Die aktuellen 8400 Ausbildungsstellen müssen in den nächsten zehn Jahren auf 9200 bis 9600 Stellen erhöht werden. Damit würde dem pensionsbedingten Rückgang an Vollzeitäquivalenten entgegengewirkt. An die vorherrschende Situation angepasst, könnte man die Zahl dann wieder schrittweise senken und sich trotzdem auf einem konstanten Niveau halten. Allerdings sind die Ausbildungsstellen in manchen Fächern aktuell nur zu knapp zwei Drittel besetzt. Manche Absolventinnen und Absolventen warten hier lieber zu, bis Ausbildungsstellen in „attraktiveren Fächern“ frei werden. Daher bringt es kaum etwas, alleine nur die Zahl der Ausbildungsstellen zu erhöhen, wenn diese gar nicht erst besetzt werden können. Es macht umgekehrt aber auch keinen Sinn, in einigen Jahren Ausbildungsstellen wieder zu senken, wenn dann mehr Absolventinnen und Absolventen zur Verfügung stehen. Diese beiden Parameter gehören daher aufeinander abgestimmt.

Kurzfristige Erhöhung bei der Allgemeinmedizin

„Analysiert man alleine die Allgemeinmedizin, dann ist mit einem Rückgang der Vollzeitäquivalenten in den nächsten zehn Jahren zu rechnen, bevor sich die Zahlen wieder leicht erholen. Dementsprechend werden hier nur kurzfristig höhere Ausbildungskapazitäten von Nöten sein, um diesen Rückgang abzufedern und die Zahl an Vollzeitäquivalenten wieder auf den vom Markt benötigten Status zu heben. Ab 2030 reichen - was die Allgemeinmedizin betrifft - dann wieder die aktuellen Ausbildungskapazitäten von 1600 Stellen“, sagt Simulationsexperte Niki Popper.

Fachrichtungen zeigen teils ein anderes Bild

„Quer durch alle Fachrichtungen gesehen, ergeben sich naturgemäß unterschiedliche Situationen. In manchen Fachbereichen wird die Anzahl an Vollzeitäquivalenten in den nächsten Jahren sogar fallen, bevor sich diese auf einem niedrigen Niveau stabilisieren wird. Ohne eine Änderung an Ausbildungsstellen wäre hier mit einem steigenden Fachkräftemangel zu rechnen“, so Dr. Popper. In diesen Fächern werden in den nächsten 15 Jahren höhere Ausbildungskapazitäten benötigt, bevor die Zahl an Auszubildenden wieder gesenkt werden kann. Die simulierte Entwicklung in anderen Fächern zeigt einen Rückgang der versorgungsrelevanten Personen in den nächsten Jahren, sodass eine dauerhaft höhere Anzahl an Ausbildungsstätten benötigt wird, um die derzeitige Zahl an Vollzeitäquivalenten halten zu können.

Das bedeutet also, dass auch die Universitäten auf die Situation reagieren müssen. So bräuchte es etwa auch flexiblere Quoten als jene 75 Prozent, die von der EU für heimische Studentinnen und Studenten festgelegt sind. Dazu braucht es aber auch die Mithilfe der Europäischen Union.

Zuständige Stellen sind rasch gefordert

Zusammenfassend liegt auf der Hand: Die aktuell teils bereits schlechte Versorgung - gerade im niedergelassenen Bereich - wird sich aufgrund verschiedener Komponenten in den nächsten Jahren noch weiter verschärfen. Dieser Negativ-Spirale muss schnellstmöglich entgegengewirkt werden. Daher sind die verschiedensten Stellen gefordert, rasche und effektive Veränderungen auf den Weg zu bringen. Ideen dazu liegen von Seiten der Ärztekammer für Oberösterreich auf dem Tisch.