Privat- und Kassenmedizin – Kein Widerspruch

Zuletzt hatte ÖGK-Vizeobmann Andreas Huss die Abschaffung des derzeit praktizierten Wahlarzt-Systems gefordert und dabei das „Modell Deutschland“ ins Spiel gebracht. Wobei es in Deutschland so geregelt ist, dass Kassenärzte auch Privatpatientinnen und -patienten betreuen. Diese Mischung hat sich durchaus bewährt und führte dazu, dass das System in Deutschland attraktiver ist als bei uns. Daher könnte man eine Adaptierung durchaus auch für Österreich andenken.

Im Bild: OMR Dr. Thomas Fiedler, Präsident Dr. Peter Niedermoser und KAD Hon.-Prof. Dr. Felix Wallner. Fotocredit: Ärztekammer für Oberösterreich

„Das wäre auch für die jungen österreichischen Ärztinnen und Ärzte ein modernes und attraktives Zukunftsmodell und eine Verbindung der positiven Seiten beider Systeme. Durch einen Kassenvertrag wäre jedenfalls eine finanzielle Grundabsicherung gewährleistet und die Vorteile der Privatmedizin würden den Anreiz verstärken, dieses Kassenmodell der Zukunft zu nutzen“, sagt Dr. Peter Niedermoser, Präsident der Ärztekammer für Oberösterreich. In Österreich bietet die soziale Krankenversicherung in Krankenhäusern sowie im niedergelassenen Bereich eine medizinische Versorgung auf sehr hohen Niveau. Dennoch wünschen sich immer mehr Patientinnen und Patienten darüber hinausgehende Leistungen sowie ein Mehr an Service und Komfort. In öffentlichen Krankenhäusern werden Privatpatientinnen und -patienten traditionell gut integriert, davon profitiert auch das Spitalswesen. Im niedergelassenen Bereich existiert hingegen eine Art Parallelsystem, weil hier die öffentliche Versorgung sehr streng von der Privatmedizin getrennt ist. Genau diese Trennung befeuerte zuletzt aber die Diskussionen um die Aufgaben der Wahl- bzw. Kassenärzte in der medizinischen Gesamtversorgung der Bevölkerung.

Zahl der Kassenärzte stagniert
Seit 2000 stagniert in Österreich die Zahl der Kassenärzte, während sich die Zahl der Wahlärzte mehr als verdoppelte. Auch in den letzten zehn Jahren ist diese Entwicklung deutlich zu sehen. Offensichtlich nimmt die Attraktivität der Kassenverträge ab und es entscheiden sich Ärztinnen und Ärzte immer häufiger, als Wahlärztin bzw. als Wahlarzt zu arbeiten. Neben gesellschaftspolitischen Konsequenzen besteht daher die Gefahr, dass Mittel in der öffentlichen Versorgung fehlen, da diese in den privaten Bereich fließen.
Zahl der Kassen- und Wahlärzte in Oberösterreich:

  • 2012 Kassenärzte: 1147 Wahlärzte: 618
  • 2017 Kassenärzte: 1167 Wahlärzte: 803
  • 2022 Kassenärzte: 1199 Wahlärzte: 903

Kassenstellen sind immer schwerer zu besetzen. Um weiter eine lückenlose Versorgung durch Vertragsärzte gewährleisten zu können, muss vorrangig der Beruf des Kassenarztes wieder attraktiver werden. Eine wichtige Maßnahme wäre hier eine stärkere Verzahnung zwischen wahlärztlichem und kassenärztlichem Bereich. Dazu müssten Vertragsärzte aber eine ausgeweitete Möglichkeit zur Behandlung von Privatpatientinnen und -patienten erhalten. Von einer solchen Neuerung würden sowohl Patientinnen und Patienten, als auch die Medizinerinnen und Mediziner profitieren. Wenn man die Kassenverträge attraktiv gestaltet, werden wieder mehr Ärztinnen und Ärzte den Weg als Kassenarzt gehen.

Potenzial ist vorhanden
Besteht in der österreichischen Bevölkerung überhaupt der Bedarf oder Wunsch nach einer privaten Krankenversicherung, die nicht nur den Wahlarzt, sondern auch den Kassenarzt abdeckt? Auch hier zeigt eine market-Umfrage ganz deutliche Ergebnisse. Das Potenzial liegt etwa bei knapp einer Milliarde Euro pro Jahr, die die Bevölkerung bereit wäre, mehr zu bezahlen. Wenn man bedenkt, dass aktuell knapp unter drei Milliarden Euro an die Kassenärzte fließen, wäre dies eine Steigerung von knapp einem Drittel der bisherigen Summe.

Kassenärzte zeigen sich aufgeschlossen
„Eine Umfrage unter Kassenärztinnen und -ärzten brachte 2019 (also vor der Corona-Pandemie) ein klares Ergebnis. Prinzipiell können sich 84,1 Prozent der Ärztinnen und Ärzte vorstellen, unter gewissen Umständen in höherem Ausmaß auch Privatpatientinnen und -patienten zu behandeln. Fast die Hälfte der Befragten sieht darin die Möglichkeit, Kassenarztstellen zu attraktivieren. Die Hauptgründe für eine Zustimmung liegen darin, Spezialisierungen und Behandlungsmethoden anwenden zu können, die von der Kasse derzeit nicht bezahlt werden. Dazu ist der Faktor „Zeit für die Patientinnen und Patienten“ ein wichtiger. 70 Prozent sehen zusätzliche Einkünfte als Vorteil“, sagt OMR Dr. Thomas Fiedler, Kurienobmann der niedergelassenen Ärzte in der OÖ-Ärztekammer. Dieses Geld könnte auch zu steigenden Investitionen in den Praxen führen, das würde wiederum die Qualität der Behandlungen verbessern. Mehr als die Hälfte der Befragten zeigte sich interessiert, unkompliziert Privatpatienten zu behandeln. Auf die Frage nach den Voraussetzungen für eine erleichterte Behandlung gab es folgende Antworten: Rechtssicherheit (81,3 Prozent) sowie Rückersatz durch die Kassen analog zum Wahlarzt (76,6 Prozent).

Umfrage: Voraussetzungen für eine erleichterte Behandlung von Kassenpatienten

  • 89,9 % Behandlung muss in Räumlichkeiten wie bei Kassenpatient möglich sein
  • 81,3 % Rechtssicherheit muss gegeben sein
  • 76,6 % Rückersatz durch die Kassen – analog zu den Wahlärzten

Auf die Frage nach den Vorteilen antworteten 70 Prozent mit der „Anwendung von Spezialisierungen, die nicht von der Kasse bezahlt werden“, sowie 68,8 Prozent mit „die Möglichkeit, ohne Zeitdruck Patienten behandeln zu können.“ Auch knapp 30 Prozent der Wahlärztinnen und Wahlärzte wäre Befragungen zufolge bereit, ins System einzusteigen. Würde man überdies für Wahlärztinnen und Wahlärzte die Übernahme von Teilzeit-Kassenstellen ermöglichen, wäre die Bereitschaft mit Sicherheit noch deutlich höher.

Umfrage: Vorteile von Privatpatienten für die Kassenpraxis

  • 77,0 % Anwendung von Spezialisierungen, die von Kasse nicht bezahlt werden
  • 68,8 % Ohne Zeitdruck Patienten zu behandeln
  • 27,7 % Einfachere Finanzierung der Praxisausstattung

Vorteile liegen auf der Hand
Eine Verschränkung beider Bereich würde nicht nur den Privatversicherten selbst, sondern auch allen Versicherten bessere Rahmenbedingungen ermöglichen. Denn steigende Einnahmen bei den Ärztinnen und Ärzten würden auch zu besseren Investitionen führen. Die Folge dieses Investitionsschubs wäre eine bessere und effizientere Infrastruktur in den Ordinationen. Das würde wiederum allen Patientinnen und Patienten zu Gute kommen. Zudem stünden mehr Ärztinnen und Ärzte dem System zur Verfügung, wodurch derzeit offene Kassenstellen wieder besetzt werden könnten. Im besten Fall wäre sogar ein Ausbau des Kassenstellen-Plans denkbar.

Neues Modell attraktiv
„Rechtlich ist es derzeit zwar möglich, dass Privatpatienten auch von Kassenärzten betreut werden, es gehören dennoch einige rechtliche Hindernisse beseitigt. Aktuell bekommt nämlich eine Patientin bzw. ein Patient, die/der privat behandelt wird, keinen Rückersatz der Kosten erstattet. Diese Schlechterstellung sehen viele Patientinnen und Patienten aber nicht ein. Die Idee wäre, dass ein Kassenarzt das Kassenhonorar normal abrechnet. Die Differenz zum höheren Wahlarzt-Honorar soll durch eine Aufzahlung erfolgen. Dazu muss aber das ASVG geändert werden. Diese Änderung ist dringend notwendig, um Kassenstellen wieder attraktiver zu gestalten“, so Hon.-Prof. Dr. Felix Wallner, Kammeramtsdirektor in der OÖ-Ärztekammer.
Wenn – so wie in Deutschland vorgesehen – auch Kassenärztinnen und Kassenärzte zusätzlich auch Privatpatientinnen und -patienten betreuen könnten, dann wäre dies ein positiver Anreiz. Das geht aber nicht wie von ÖGK und Teilen der Politik zuletzt gefordert mit Zwang. Durch eine Änderung würde sich das Angebot an Kassenärzten flächendeckend enorm verbessern, die Flucht in den Wahlarzt-Bereich wäre durch einen positiven Anreiz gestoppt. Durch eine Steigerung des Honorarvolumens könnte der Stellenplan sogar ausgebaut werden und in weiterer Folge auch zu einer Spitalsentlastung beitragen, weil moderne Leistungen von der Kasse bezahlt werden würden und nicht mehr nur im Spital erbracht werden.