Sommerzeit ist Zeit zum Kraft schöpfen

Allen, die in der Sommerzeit mein Editorial lesen, wünsche ich noch einige ruhige Tage an einem See, auf den Bergen oder bei einer tollen Reise. Jede und jeder von Ihnen hat diese Auszeit verdient, denn Sie haben in den vergangenen Monaten tolle Arbeit geleistet.

Ich durfte Anfang Juli bei einem Treffen aller Präsidentinnen und Präsidenten der deutschsprachigen Länder dabei sein – von Luxemburg bis Südtirol. Grundsätzlich ging es am ersten Tag um die Konzepte der Weiterbildung (= Ausbildung bei uns) in den verschiedenen Staaten. In manchen Ländern geht man den Weg weg von Zeitvorgaben, die absolviert werden müssen, hin zum Kompetenzlevel. Das heißt, dass man eine Kompetenz früher erreichen kann, als es jetzt vielleicht hinsichtlich des Zeitablaufes in den aktuell bestehenden Rasterzeugnissen in den Ländern vorgesehen ist. Ein interessanter Zugang. In der Schweiz laufen da bereits einige Modellprojekte. Wir alle kämpfen im deutschsprachigen Europa mit den Spezialisierungswünschen der Fachgesellschaften. Jede Fachgesellschaft möchte noch mehr Spezialisierungen und das in einem Ausbildungscurriculum und mit entsprechender Abschlussprüfung abgedeckt haben. Wir waren uns alle einig, dass dies eine Gesamthaftigkeit der Medizin unmöglich macht und dass wir hier eine gemeinsame Abstimmung finden müssen, damit diese Wünsche der Fachgesellschaften etwas strukturierter werden.


COVID-19
In allen Ländern, die anwesend waren, gab es die gleichen Probleme wie bei uns: zuwenig Einbindung der Ärzteschaft in die Problemlösung, Gesetze und Verordnungen, die im Monatstakt verändert wurden, und ein Auf und Ab von Freiheiten und Restriktionen. Die Impfpflicht für Gesundheitsberufe, die eigentlich von allen begrüßt wurde, ist nur in Italien umgesetzt worden. Das hat sehr viel Arbeit der Kontrolle – dort wurde diese vom Staat an die Ärztekammer
übertragen – mit dem entsprechenden bürokratischen und rechtlichen Aufwand bedeutet, den etwa die Südtiroler niemandem wünschen würden. Jede Regierung verspricht außerdem, die Covid-19-Krise an Hand der Zahlen aufzuarbeiten – noch über den Sommer. Aber in fast keinem Land gibt es diese Zahlen, um die gesetzten Maßnahmen gesamthaft zu bewerten. Gesunde zu testen, das ist aber allen klar, hatte keinen Einfluss auf die Entwicklung der Pandemie und macht keinen Sinn mehr.


ÄRZTINNEN UND ÄRZTE UND PFLEGEMANGEL
Von allen wird der Mangel an Pflegerinnen und Pflegern als fast unlösbares Problem gesehen, das die Versorgung in Mitteleuropa mittelfristig deutlich verschlechtern wird. Es gibt aber auch in allen Ländern einen größeren Mehrbedarf an Ärztinnen und Ärzten, als von den Universitäten ausgebildet wird. Man denkt überall daran, an den Universitäten die Zahl der Studentinnen und Studenten zu erhöhen. Vor allem auch genau zu planen, wie viele Kolleginnen und Kollegen in den nächsten Jahren notwendig sind, um die Versorgung aufrecht zu erhalten. Manchmal sieht man an den Zahlen, dass es ein Ärztekarussell in Europa gibt, das aber nur wenig Entlastung bringt, wenn sich der Kreisel weiterdreht. Genaue
Bedarfsplanung ist auch in Österreich notwendig. Man darf auch nicht nur Köpfe zählen, sondern muss von Vollzeitäquivalenten ausgehen. Es braucht aber aus meiner persönlichen Sicht ein anderes Auswahlverfahren an den Unis. Der Test ist aus meiner Sicht nicht das Instrument der Wahl.


ANDERE BERUFSGRUPPEN DRÄNGEN IN DIE MEDIZIN
Da steht Österreich deutlich besser da. In einzelnen Ländern drängen andere Berufsgruppen ganz massiv in die ärztlichen Aufgabenbereiche. Insgesamt tun sich da die Apothekerinnen und Apotheker sehr hervor. Angefangen vom Impfen bis hin zur Medikamentenberatung von Patientinnen und Patienten, auch bei onkologisch erkrankten Menschen. Dem müssen wir in Österreich eine klare Absage erteilen. Das ist nicht die Aufgabe der Apothekerschaft. Sie hatten ja
beim Studium die Wahl – und die fiel halt nicht auf Medizin.
 

Ihr Präsident Dr. Peter Niedermoser
Linz, im August 2022