Die Wahl ist geschlagen – Politik sollte auf Vorschläge hören

Wir haben schon bei der letzten Wahl Vorschläge an die damaligen Koalitionsverhandler geschickt, um unsere Sicht der Dinge darzustellen. Leider wurden wir zur Seite geschoben. Mir ist schon klar, dass Interessenspolitik nicht gleichzusetzen ist mit Parteipolitik, aber wir wissen schon, wie ein Gesundheitssystem noch besser funktionieren kann. Wir sind ja täglich mit hunderttausenden PatientInnen im Gespräch. Hier einige Vorschläge:

Ja, es gibt ihn, den Ärztemangel. Schon jetzt ist in Österreich eine Fülle von Kassenstellen für AllgemeinmedizinerInnen unbesetzbar. Die Situation wird sich in den nächsten Jahren noch dramatisch
verschärfen und auch die fachärztliche Versorgung in der Niederlassung, aber auch in den Krankenanstalten, betreffen, weil sich immer weniger junge Ärztinnen und Ärzte entschließen, die Ausbildung
zum Allgemeinmediziner aufzunehmen. Da nützt es nicht, die Zahl der Medizinstudierenden zu verdoppeln. Man muss zuerst analysieren, warum bis zu 37 Prozent jedes Absolventenjahrganges nicht in unserer Ärzteliste auftauchen, das heißt, den Beruf des Arztes nicht ausüben. Wir als Ärzte haben gelernt: zuerst die Anamnese, dann die Diagnose und erst in der Folge die Therapie – das ist halt in der Politik immer
umgekehrt und führt zu vielen Kunstfehlern. In Anbetracht des europaweiten Wettbewerbs um Ärzte ist es daher dringend, geboten Österreich für Ärzte zu attraktivieren. Es ist dies eine Aufgabe des Bundes in enger Zusammenarbeit mit den Ländern und regionalen Kassen.

DAZU BEDARF ES EINES BÜNDELS VON MASSNAHMEN
Diese müssen sein: genügend große Anzahl von Basisausbildungsstellen, Sicherstellung einer flächendeckend hohen Ausbildungsqualität als Angebot an die Jungärztinnen und Jungärzte (Ausbildungsoffensive),
Verpflichtung zur Ausbildung einer ausreichenden Anzahl von Allgemeinmedizinern, attraktivere Arbeitsbedingungen
und Leistungsangebote im kassenärztlichen Bereich, unbürokratische Ermöglichung von Zusammenarbeits- und Mitarbeitsformen im kassenärztlichen Bereich, Attraktivierung von Allgemeinmedizinerstellen u. a. dadurch, dass ein vom Bedarf abhängiges verbreitertes Leistungsspektrum angeboten werden kann, deutlich verbesserte Honorierung der Zuwendungsmedizin, Verbesserung der Arzneimittelversorgung am Land durch Hausapotheken – dies sind nur ein paar Vorschläge, die die Politik noch nie umgesetzt hat.

KORREKTUREN ZUR KASSENREFORM
Die Kassenreform mit der Fusionierung der Gebietskrankenkassen soll laut Politik zu einer effizienteren Versorgung mit Versicherungsleistungen führen – wobei ich mir sicher bin, dass das nicht erfolgen
wird. Trotzdem haben wir auch hier Vorschläge: Keine zusätzliche Bürokratie: der Aufbau einer neuen zusätzlichen Bürokratie auf Bundesebene durch die ÖGK, parallel zu den weiterhin bestehenden Büros der Gebietskrankenkassen, wird zu einer erheblichen Systemverteuerung führen. Daher müssen Entscheidungen, die eine lokale Expertise erfordern, auch weiterhin vor Ort getroffen werden, wie etwa über den Stellenplan, über die Vergabe von Kassenstellen sowie über ein dem regionalen Bedarf angepasstes Leistungsspektrum der Kassenärzte. Durch diese Zentralisierung wird Oberösterreich zur Melkkuh der
Nation werden, wenn wir nicht gegensteuern können. Kein träges Monopol, sondern innovativer Leistungswettbewerb: die Zentralisierung der Kassen birgt die große Gefahr, dass ein behäbiges und innovationsfeindliches Monopol entsteht, weil es keinen „Wettbewerb der Ideen“ mehr gibt.

ENTLASTUNG DER KRANKENANSTALTEN
Die Belastung der Spitalsärztinnen und Spitalsärzte, aber auch des übrigen medizinischen Personals in Krankenanstalten, ist in den vergangenen Jahren auf ein unerträgliches Maß angewachsen. Gründe dafür
sind, dass der immer wieder angekündigte Ausbau des niedergelassenen Bereichs ausgeblieben ist und keine effiziente Patientenlenkung geschaffen wurde sowie vielerorts das Personal fehlt.
Derzeit werden die Ressourcen des Gesundheitssystems unnötig belastet, weil es keine wirksame Patientensteuerung gibt. Der Versuch einer derartigen Steuerung über die Gesundheitsnummer 1450 ist ein
erster Ansatz. Wir unterstützen die Einführung der Gesundheitsnummer, weil viele Patienten Rat suchen, ob aufgrund ihrer Symptome ein Arztbesuch notwendig ist. Die telefonische Gesundheitsberatung kann
dazu beitragen, unnötige Arztbesuche zu vermeiden. Ist ein Arztbesuch notwendig, dann soll der erste Weg zum niedergelassenen Allgemeinmediziner bzw., falls erforderlich, zum niedergelassenen Facharzt führen.
Spitalsambulanzen sollen nur in Notfällen und nur dann aufgesucht werden, wenn die Versorgung nicht durch niedergelassene Ärzte erfolgen kann. Hier gilt es klarzustellen, dass das der richtige Weg im
Gesundheitssystem ist. Sollte ein Patient aus eigenem Wunsch einen anderen Weg gehen und gleich die Ambulanz aufsuchen, wäre es sicherlich legitim, diesen mit einem Selbstbehalt zu belasten. Wir als Expertinnen und Experten müssen hier den Weg vorzeichnen und die Politik muss dann, auf Basis dieser Expertise, die Entscheidungen treffen.